Interview – Frauen und Digitalität
90% der Lehrkräfte an Grundschulen sind weiblich, mehr als 70% an allen deutschen Schulen sind Lehrerinnen. Dabei spukt in vielen Köpfen noch das Vorurteil “Frauen können keine Technik”. Doch warum ist das so? Mit dieser Thematik beschäftigt sich Kati Ahl in ihrem Buch “ “Frauen und Digitalität – jetzt! Wie die Bildungstransformation von weiblichen Perspektiven profitiert“.
Dein neues Buch trägt den Titel “Frauen und Digitalität – jetzt! Wie die Bildungstransformation von weiblichen Perspektiven profitiert” – wie bist du auf die Idee gekommen, ein Buch über Frauen und Digitalität zu schreiben?
Kati Ahl: Alle meine Buchideen stammen aus meiner Zeit als Schulleiterin, das was mir da unter den Nägeln brannte, greife ich in meinen Büchern auf. Und als Ausbilderin habe ich erlebt, dass Lehrkräfte Gatekeeper für den Unterricht sind. Für digital mündige Lernende brauchen wir also digital kompetente Lehrkräfte und möglichst viele Perspektiven.
„Lehrerinnen möchte ich Mut machen, anderen zu zeigen, was sie können und Neues auszuprobieren und dabei auch Fehler zu riskieren. “Kann ich nicht”, gibt´s nicht mehr, höchstens “kann ich noch nicht, schaue ich mir an”.“
Du greifst in deinem Buch auf, dass Lehrkräfte an Schulen zum Großteil weiblich sind, technikaffine Positionen allerdings eher von Männern besetzt werden – woran liegt das?
Kati Ahl: Auch heute wirken in unseren Köpfen noch Klischees, so sehr wir vielleicht auch meinen, sie längst überwunden zu haben: Mädchen schätzen sich schlechter in Mathe ein, weibliche Studentinnen schneiden schlechter ab, wenn der Test vorher verlangt anzukreuzen, dass sie weiblich sind, nur 17 % der Informatikstudierenden sind weiblich. Ich könnte zahlreiche Beispiele aufzählen. Die Digital Gender Gap Studie belegt das und nennt als eine Ursache beispielsweise, dass Frauen deutlich mehr dazu neigen, ihre digitalen Kompetenzen zu unterschätzen.
Worin unterscheiden sich weibliche von männlichen Perspektiven im Hinblick auf die Bildungstransformation?
Kati Ahl: Statistisch betrachtet sind Männer digital offener, vielleicht verspielter, probieren Neues einfach aus. Frauen greifen anders zu, indem sie einen sinnvollen Kontext bevorzugen, eine praktische Anwendbarkeit suchen. Ein Beispiel: Im Interview beschreibt der Schulleiter Micha Pallesche, wie bei einem schulweiten Hacker´s Day mit der Hacker School auffallend mehr Jungen Kurse besuchten, in denen sie einen Roboter zum Bewegen brachten, während Mädchen viel lieber eine Sensbox programmierten, mit der sie Umweltdaten erfassten. Das bestätigen auch Studien, aber natürlich gilt das nicht für alle Frauen und Männer. Es gibt aber Hinweise, wie Frauen eher zugreifen und einsteigen in das Thema: Durch Bezüge, die ihnen einleuchten, die sie überzeugen.
Kati Ahl ist Autorin des Buches „Schule verändern – jetzt!„. Ihr Herz schlägt für Veränderung an Schulen, neue Wege und Lernen mit Leichtigkeit. Kati Ahl ist systemische Beraterin und bietet pädagogisches Coaching an. Sie arbeitet als Schulentwicklungsberaterin und ist daneben Design-thinking-Moderatorin. Kati Ahl war Schulleiterin bis 2020 und ist dreifache Mutter. Ihre erste Publikation baut Brücken zwischen den unterschiedlichen Perspektiven „Elterngespräche konstruktiv führen“ (V&R Verlag). Ihr aktuelles Thema „Frauen und Digitalität“ erscheint 2022 bei Klett Kallmeyer.
Was bedeutet es für die Schule, aber auch den digitalen Wandel der Bildung, wenn sich Frauen selbst als weniger technikaffin sehen?
Kati Ahl: Wenn Lehrkräfte sich wenig zutrauen, technikskeptisch und wenig digitalaffin sind, fehlen für die Lernenden in den Klassen wichtige Impulse, die sie 2040 in ihrem Beruf als digitale Kompetenzen dringend brauchen werden. Es fehlen aber ganz wesentlich auch Erfahrungen, digitale Angebote nicht nur zu konsumieren, sondern sie auch zu gestalten. Darüber hinaus fehlt die Perspektive derjenigen, die die Wirkungen von Digitalisierung kritisch hinterfragen. Welche Ethik brauchen wir in der Nutzung von KI, welche Nutzung im Metaverse ist hilfreich und wie gestalten wir die Digitalisierung gemeinsam? Nach dem Dagstuhl-Modell brauchen wir gerade auch die kritischen Fragen nach der Wechselwirkung auf die Gesellschaft, damit wir die Digitalisierung nach unseren Werten gestalten.
Du hast dich in deinem Buch nun sehr intensiv mit dem Thema Frauen und Digitalität beschäftigt. Was möchtest du Lehrerinnen mit auf den Weg geben?
Kati Ahl: Ich möchte sowohl Lehrer als auch Lehrerinnen ansprechen: Lehrerinnen möchte ich Mut machen, anderen zu zeigen, was sie können und Neues auszuprobieren und dabei auch Fehler zu riskieren. “Kann ich nicht”, gibt´s nicht mehr, höchstens “kann ich noch nicht, schaue ich mir an”. Lehrerinnen lernen besonders gerne von weiblichen Vorbildern. Das bedeutet, wir brauchen mehr Bühne für digital affine Kolleginnen und mehr Männer, die sie dabei unterstützen, sie vorgehen lassen, weil sie um die Strahlkraft weiblicher Vorbilder wissen. Wir brauchen auch mehr Mentorinnen und gemischte Teams für Digitalisierung an Schulen. So können sie Ansprechbarkeit für alle im Kollegium signalisieren und den Mut vermitteln, Neues auszuprobieren.