Im Interview erklärt Gymnasiallehrer und Koordinator für digitale Schulentwicklung, Florian Reche, was der BYOD-Ansatz beinhaltet und welche Vorteile das Ausstattungskonzept für die eigene Schule mit sich bringt.
25. Juli 2023
„Der Vorteil von BYOD ist, dass man unabhängig von den IT-Finanzen einer Schule, pragmatisch und recht schnell eine Vollausstattung erreichen kann: entweder in einzelnen Jahrgängen oder über alle Jahrgänge hinweg.“
In deiner Online-Fortbildung geht es um „Bring your own device“ als Ausstattungskonzept für Schüler*innen mit digitalen Endgeräten. Was ist mit „Bring your own device“ gemeint?
Florian Reche: “Bring your own device” beschreibt die Nutzung von privaten Endgeräten wie Smartphone, Tablet oder Laptop in Bildungseinrichtungen oder auch am Arbeitsplatz. Die Geräte werden im Falle der Schule also nicht durch die Schule selber gestellt, sondern die Schüler:innen nutzen vorhandene private Geräte im WLAN, sofern dies durch die Lehrer:innen im Sinne des Unterrichts gewünscht ist.
Was sind die Vor- und Nachteile des „Bring your own device“-Ausstattungskonzepts?
Florian Reche: Der Vorteil von BYOD ist, dass man unabhängig von den IT-Finanzen einer Schule, pragmatisch und recht schnell eine Vollausstattung erreichen kann: entweder in einzelnen Jahrgängen oder über alle Jahrgänge hinweg. Erst mit einer 1:1-Vollausstattung hat man eine praktikable Grundlage dafür geschaffen, jederzeit digital im Unterricht arbeiten zu können und die “Kompetenzen in der digitalen Welt” zu trainieren, die nun Bestandteil aller Bildungspläne sind.
Der Vorteil in der Umsetzung ergibt sich daraus, dass die Kinder meist bereits private Endgeräte besitzen, die direkt im Schulkontext eingesetzt werden können. Die Schüler:innen benötigen lediglich einen Zugang zum WLAN. Die privaten Geräte können bei Bedarf durch schulische Leihgeräte ergänzt werden für Schüler:innen, die kein privates Gerät besitzen, um gleiche Arbeitsbedingungen für alle zu gewährleisten.
Umgekehrt macht die fehlende “technische Kontrolle” für die Schule es schwer oder unmöglich, Möglichkeiten eines digitalen Classroom-Managements (wie z.B. “Apple Classroom”) oder eine zentrale Geräte-Verwaltung (MDM) zu nutzen, um z.B. alle Geräte mit Lizenzen für bestimmte Software zu versorgen. Dies wäre nur bei einer einheitlichen Ausstattung mit gleichen Geräten und Betriebssystemen in den Händen aller Schüler:innen möglich.
Sowohl technisch als auch finanziell sind die Schüler:innen und Eltern für die Geräte in jeder Hinsicht verantwortlich – so, wie es bei anderem Privateigentum auch der Fall ist. Das BYOD-Konzept benötigt also in jedem Falle die Unterstützung der Elternschaft! Bietet dadurch aber eine starke Entlastung für die Schule sowohl bei Finanzen und Administration.
Im positiven Sinne gehen die Schüler:innen wegen der Eigenverantwortung mit ihren eigenen Geräten deutlich sorgsamer um, als mit schulischem Eigentum, was ein durchaus gewichtiges Argument ist. Zudem lernen sie die Geräte als Arbeitswerkzeuge kennen, nicht nur als “Spielgerät” und bereiten sich so auf das Studium oder ihre Ausbildung vor, wo das digital-gestützte Arbeiten mittlerweile vielfach der Alltag ist.
Florian Reche ist seit 2016 als Gymnasiallehrer für Englisch, Politik-Gesellschaft-Wirtschaft und Sport an einem Hamburger Gymnasium tätig. Seit 2020 ist er Koordinator für digitale Schulentwicklung. In diesem Rahmen ist Florian Reche u. a. für das Projektmanagement auf den verschiedenen Ebenen der digitalen Schulentwicklung, Fortbildungen, die Kommunikation mit allen Beteiligten sowie die Vernetzung mit anderen Schulen zuständig. Ein Kernprojekt der letzten Jahre war die ganzheitliche Umsetzung eines BYOD-Konzepts von Jahrgang 9-12 an seiner Schule. Zudem ist er schulübergreifend als Fortbildner, Berater und Referent tätig. Im Herbst 2020 gründete er zusammen mit Kolleg*innen von benachbarten Schulen des Stadtteils ein lokales Schulnetzwerk zum gemeinsamen Austausch und „voneinander lernen“.
Für welche Schulen eignet sich das Ausstattungskonzept, für welche Schulen eher weniger?
Florian Reche: Grundsätzlich ist das Konzept universell und eignet sich für Schulen und Bildungseinrichtungen aller Art, ganz gleich, auf welcher Stufe der digitalen Schulentwicklung sie aktuell stehen. Die Einführung eines BYOD-Konzepts eignet sich daher auch wunderbar als “Einstiegsprojekt” in die digitale Schulentwicklung. Welche Jahrgänge jedoch an einer Schule ausgestattet werden sollen, muss eine Schulgemeinschaft gemeinsam entscheiden mit Blick auf die unterrichtlichen Konzepte, Curricula und Rahmenbedingungen vor Ort. Wie zuvor angesprochen, ist eine entscheidende Voraussetzung aber, dass die Elternschaft das Konzept mitträgt, da die Eltern schlussendlich die Endgeräte für ihre Kinder privat finanzieren.
In deiner Online-Fortbildung geht es darum, „Bring your own device“ auf Schulebene zu implementieren und daher auch als Schulentwicklungsprojekt anzugehen. Warum ist das in deinen Augen wichtig?
Florian Reche: Erst mit einer Endgeräte-Vollausstattung können die Kolleg:innen den Unterricht langfristig auf die digitalen Arbeitsgeräte ausrichten und planen – ohne aufwendige Buchung, Raumwechsel und Zeitverluste. Die Vollausstattung mit Endgeräten ist also die Grundlage dafür, dass Schüler:innen und Lehrer:innen jederzeit und zuverlässig digital in der Schule arbeiten können. Die Geräte sind gewissermaßen das “Wasser”, das es braucht, um “schwimmen” zu können. Die Technik ist aber nur eine von mehreren Ebenen. Die Unterrichtsentwicklung, Personalentwicklung, Kooperationsentwicklung, Organisationsentwicklung und Technologieentwicklung sollten stets parallel betrachtet und bearbeitet werden, da sie voneinander abhängen und es viele Wechselwirkungen gibt.
Und zum Abschluss: Was sind deiner Erfahrung nach Faktoren, die zum Erfolg, aber auch Misserfolg des Projekts beitragen können?
Florian Reche: Ganz am Anfang sollte aus meiner Sicht die Entwicklung von klaren Leitgedanken und Zielen stehen! Warum möchten wir uns auf den Weg machen, wie gehen wir dabei vor und was möchten wir am Ende konkret erreichen? Diese Fragen sollte die Schulgemeinschaft klar zusammen beantworten, damit ein solch umfassendes Projekt die notwendige Unterstützung von Eltern, Lehrer:innen und Schüler:innen bekommt.
Sobald es losgeht, sind gute Teamstrukturen, ein eingespieltes Projektmanagement, klare Rollen, ausreichende Zeit-Ressourcen für die Arbeit, sowie eine transparente, offene, empathische Kommunikation sehr wichtig, damit die Unterstützung erhalten bleibt und die Ziele erreicht werden. Zudem braucht es viel Ausdauer, Geduld und “Erwartungsmanagement” bei allen Beteiligten! Während sich die Technik und Organisationsstrukturen in gut einem Jahr aufbauen lassen, sind die Fortbildungen und die Unterrichtsentwicklung ein Prozess, der wohl viele Jahre in Anspruch nehmen wird. Realistische Erwartungen und ein für die Schulgemeinschaft angemessenes Tempo des Prozesses, sind darum ebenso wichtige Faktoren.
Mit regelmässigen Bestandsaufnahmen, Evaluationen und einem langfristigen, aber kleinschrittigen, flexiblen Vorgehen, kommt man denke ich Schritt-für-Schritt zum Ziel.
Welche Ziele dies sind, ggf. über die Bildungsplaninhalte hinaus, kann jede Schulgemeinschaft individuell für sich formulieren.
Ich hoffe, die Fortbildung zur 1:1-Vollausstattung mit Hilfe von “Bring your own device” bietet dafür hilfreiche Anregungen und die zahlreichen praxiserprobten Vorlagen und Materialien sind für den Alltag nützlich!
Online-Fortbildung:
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