Erklärfilme und Videos im Unterricht sinnvoll einsetzen und selber erstellen
Mit der Digitalisierung eröffnen sich für Lehrende völlig neue, kreative Möglichkeiten Lernsettings zu gestalten. Dazu gehören auch Videos und Erklärfilme – über deren Einsatz im Unterricht und in der Schule viel diskutiert wird. Doch wann macht der Einsatz von Videos im Unterricht wirklich Sinn und wie kann man einfach und unkompliziert eigene Videos und Erklärfilme mit der Klasse erstellen? Wir haben Tobias Raue interviewt, der mit seiner Klasse eigene Erklärfilme erstellt, um Lerninhalte neu und anders zu reflektieren.
Lieber Tobias, Es wird viel über den Einsatz von Videos im Unterricht diskutiert. Und dann setzen wir alle SuS einfach vor diese Videos? Wann und wie macht der Einsatz von Videos und Erklärfilmen im Unterricht Sinn?
Tobias: Hallo Theresa, schön, dass du mir die Gelegenheit gibst, ein wenig über mein Lieblingsthema – dem Einsatz von Erklärfilmen im Unterricht – zu sprechen.
Der Videoeinsatz in der Schule kann immer auf zwei Arten geschehen: zum einen können die Schülerinnen und Schüler die Clips zur Informationsaufnahme konsumieren und zum anderen besteht auch die Möglichkeit, dass die Klasse selbst kleine Filme produziert.
Ich denke, dass viele Kolleginnen und Kollegen z. B. Youtubevideos im Unterricht einsetzen – sei es direkt in der Klasse oder in Form eines Flipped Classroom Konzeptes als Hausaufgabe. Die Vorteile liegen auf der Hand:
- Die Lerner können die Clips im individuellen Tempo schauen und beliebig wiederholen und wer es braucht, nutzt die Untertitelfunktion.
- Sie beschäftigen sich mit dem Thema zu dem Zeitpunkt, wenn Sie das Gefühl haben, konzentriert und fokussiert arbeiten zu können.
- Viele Clips nutzen grafische Möglichkeiten, die ich live im Klassenraum nur schwer reproduzieren kann. Der Vortrag ist schlicht besser als der Input, den ich der Klasse bieten kann. Abgesehen davon ist mir die Zeit mit der Klasse zu kostbar für einen 20-Minuten Lehrermonolog.
Aber wir müssen uns als Pädagogen auch ein wenig von dem informellen Lernen abheben. Lernen per Video im Unterrichtszusammenhang sollte einen anderen Rahmen erhalten als meine private Youtubesuche zum richtigen Schneiden einer Paprika.
Nele Hirsch weist in Ihrem Blog ebildungslabor ganz aktuell auf die Notwendigkeit hin, Bildungsinhalte für die Lernenden selektierend aufzubereiten, zu kuratieren. Außerdem sollten wir die Schülerinnen und Schüler langsam an die Informationsaufnahme per Video vorbereiten. Marc-Albrecht Hermanns hat dazu eine Variante des “reziproken Lesens” kreiert. Er nennt die kooperative Methode “reziproke Filmauswertung”. Letztlich sollte man inhaltlich komplexe Videos durch analoge Arbeitsblätter und Fragestellungen begleiten oder durch Tools wie h5p, EdPuzzle oder learningapps interaktiv anreichern.
Tobias Raue ist Lehrer, Medienberater und Kursleiter der Online-Fortbildung Erklärfilme im Unterricht und Green Screen Videos im Unterricht.
Du erstellst selbst mit deinen Schüler*innen Erklärfilme und GreenScreen Videos. Warum ist das Medium Video für Jugendliche so attraktiv?
Tobias: Das Video ist für alle Altersgruppen attraktiv – auch für Dich! Wenn ich z. B. die Lehrerinnen und Lehrer bei meinen Workshops beobachte. Sie arbeiten an den kleinen Videosequenzen mit so viel Akribie und Engagement. Die Gruppen denken lange über das Thema nach, die Bilder werden sauber aus dem Netz abgemalt, die Frisur kontrolliert, der Text mehrfach geübt und das Video wird (entgegen meiner Ansage ;-)) mehrfach aufgenommen. Wohlgemerkt in einer Fortbildungssituation. Aber es spiegelt genau das wider, was ich auch bei den Schülerinnen und Schülern bemerke. Sie sind immer mit Feuereifer dabei. Das liegt wahrscheinlich daran, dass das kreativ-digitale Handlungsprodukt immer wieder abrufbar ist. Da will man glänzen.
Abgesehen davon macht es den Schülerinnen und Schülern einfach Spaß in einer Gruppe Witziges, Spannendes, Bemerkenswertes oder Überraschendes zu produzieren. Die Lerngruppen entwickeln eine kleine Show mit Spannungsbögen und Pointen – nicht zu vergleichen mit einem dahin geschmierten Plakat, das nicht lesbar vor der Klasse präsentiert wird. Allen ist klar, dass ein Video von den Zuschauern mit einer ganz anderen Aufmerksamkeit wahrgenommen wird.
Youtube ist voll mit Erklärfilmen zu allen möglichen Themen. Warum sollte ich mit meinen SuS dann selber Videos und Erklärfilme erstellen, wenn man doch bereits „fertige“ anschauen können?
Tobias: Weitaus spannender als der reine Konsum ist natürlich die kreative Videoerstellung durch die Klasse selbst. Wie jede andere “produzierende” Arbeit in der Schule, kann ich als Lerncoach diese Methode zu verschiedenen Anlässen und Gelegenheiten anwenden. Am besten natürlich in erarbeitenden oder zusammenfassenden Phasen der Unterrichtsreihe. Für mich ist der Pudels Kern die unvergleichliche Ernsthaftigkeit, mit der die Klassen an die Arbeit gehen. Ich bin mir als Lehrer sicher, dass die Schülerinnen und Schüler sich intensiv mit den Inhalten auseinandersetzen. Die Ideenfindung einer passenden Story, die Entwicklung eines Drehbuches und die Gestaltung der Szene erfordern von den Schülerinnen und Schülern eine tiefe Auseinandersetzung mit der Materie. Selbst produzierte Erklärfilme sind eine ideale Möglichkeit, Lerninhalte neu und anders zu reflektieren.
Zusätzlich freue ich mich als Medienberater natürlich über die entwickelten Medienkompetenzen, sei es auch nur in Ansätzen. Wir dürfen die berühmten 4K nicht vergessen. Filmproduktion bedeutet Kreativität, Kollaboration und Kommunikation!