Schule in Finnland: Hier geht es um das Miteinander

Innovative Methoden

Digitale Klassenbücher, Roboter als Sprachlehrer und Lernpflicht statt Schulpflicht: An finnischen Schulen läuft einiges anders als hier in Deutschland. Zwei spannende Radiobeiträge haben sich mit den Besonderheiten des finnischen Schulsystems beschäftigt – und wir haben für euch reingehört.

24. July 2019

Aktiver Unterricht in Gruppen - nach finnischem Vorbild?

Mit den Lehrenden per Du

Hier leben die glücklichsten Menschen der Welt – laut dem aktuellen World Happiness Report sind die Finnen das zufriedenste Volk überhaupt. Auch in Sachen Bildung gilt das Land im Norden bei uns als Vorzeigebeispiel – nicht nur, weil die PISA-Ergebnisse der finnischen SuS mehr beeindrucken, als die der deutschen. In Finnland stehen die Lernenden im Mittelpunkt und die Schule wird gemeinsam von Lehrer*innen, Eltern und den Schüler*innen weiterentwickelt.

Die Besonderheiten der finnischen Schulen zeigen sich vor allem auf struktureller Ebene. Darum geht es auch in einem Gespräch mit Marja Martikainer, einer Schulentwicklungsforschein aus Helsinki, in einem Beitrag von SWR2.

„Wir versuchen alles zu tun um alle mitzunehmen“, ist laut Martikainer der Gedanke hinter all den Strukturen. Das Schulsystem hat einige spannende Aspekte, auf die sie im Interview verweist.

10 Dinge, die am finnischen Schulsystem besonders sind

Von den Klassen eins bis neun gehen alle Schüler*innen zusammen auf die Gemeinschaftsschule. Die SuS werden also nicht wie in Deutschland mit zehn Jahren selektiert, sondern erst mit 15.
Lehrer*innen und SuS duzen sich.
Der oder die Lernende steht im Mittelpunkt, jeder soll mithalten können. Deswegen sind an den Schulen auch speziell ausgebildete Sonderpädagog*innen im Einsatz. Sie sind unterstützend mit im Unterricht und helfen schwächeren SuS.
Schulsozialarbeiter*innen und Schulspsycholog*innen gibt es an jeder Schule.
Alle finnischen Schulbücher sind flexibel und für den Gemeinschaftsunterricht gestaltet: Sie enthalten Grundaufgaben und weiterführende Aufgaben. Dadurch können schnellere SuS weiterarbeiten und langsam Lernende trotzdem mitkommen.

Das Bild des Lehrers oder der Lehrerin: Lehrende sind sehr angesehen in Finnland, viele wollen Lehrer*in werden. So viele, dass nur 10 Prozent der Bewerber*innen tatsächlich das Lehramtsstudium beginnen können.
Das nationale Curriculum für den Unterricht ist sehr lose, es definiert nur allgemeine Ziele und Kerninhalte, Lehrer*innen können sehr autonom und frei damit umgehen. Sie haben Methodenfreiheit. Auch wie sie evaluieren steht ihnen frei.
Es gibt keine Schulpflicht sondern Lernpflicht. Mal außerhalb der Ferien mit der Familie zu verreisen kann von der Schulleiterin genehmigt werden.
Bildung ist nicht Ländersache sondern wird kommunal gestaltet.
Die Schule wird gemeinsam entwickelt – von Lehrer*innen, Schüler*innen und deren Eltern.

7 Kern-Kompetenzen

Das lose gefasste Curriculum in Finnland zielt laut Martikainer auf sieben Kern-Kompetenzen ab:

Denken und das Lernen lernen
Kulturelle Bildung, Interaktion und Ausdruck
Auf sich selbst achten, Alltagskompetenzen und Sicherheit
Multiliterarität, Lesekompetenz
ICT-Kompetenz bzw. digitale Kompetenz
Kompetenzen fürs Arbeitsleben und Unternehmertum
Beteiligung, Einfluss und Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft

Diese sollen die Lehrenden in ihren jeweiligen Fächern mit selbst gewählten Methoden erfüllen.
Abschließend resümiert die Schulentwicklungsforscherin: In der Schule geht es um das Miteinander. Jeder und jede kann irgendwas und das soll gefördert werden, so Martikainer.

Ein Jingle für die korrekte Antwort

Und wie sieht es wirklich im Unterricht aus? Manchmal wohl recht futuristisch: In einem Beitrag des Deutschlandfunk geht es darum, wie ein Roboter das Vokabellernen im Finnischunterricht leichter machen kann.

Tablets und digitale Klassenbücher haben in die finnischen Schulen schon länger Einzug gehalten – und nun auch ein humanoider Roboter, als Assistenz im Sprachunterricht. Elias ist 56cm groß und spricht neben Finnisch 22 weitere Sprachen. Bei richtigen Antworten spielt er einen Musikjingle ab. Er unterrichtet im Bereich Erwachsenenbildung Menschen, die gerne Finnisch lernen möchten.

Das Lernen sei sehr effektiv, weil der Roboter nur auf sie fokussiert sei, meint eine Schülerin. Künstliche Intelligenz sollte ihrer Meinung nach auch im Unterricht einen Platz finden.

Für ein stressfreieres Lernen?

Elias spricht ohne Akzent, in einem langsamen Tempo. Er wiederholt das Gesagte immer wieder, wenn sein Gegenüber ihn nicht verstanden hat. Der Roboter wird nicht nur im Unterricht mit Erwachsenen eingesetzt, sondern auch an Grundschulen im Englischunterricht.

Erfinderin von Elias, Johanna Hemminki ist überzeugt, dass der Roboter eine gute Ergänzung für den Sprachunterricht ist. „Viele haben Angst Fehler zu machen, und genau diese Angst nimmt einem der Roboter, weil er nicht bewertet, nicht bestraft. Er ist neutral. Und das schafft beim Lernenden eine Sicherheit, die ganz wichtig ist für den Lernerfolg. Denn wer sich sicher fühlt, keinen Stress hat, lernt besser.“