Cybergrooming – Gemeinsam stark (re)agieren
In diesem Interview erklärt dir Sozialpädagoge und Medienberater Leo Kleinschmidt, was Cybergrooming genau ist, wer davon betroffen ist und wie du deine Schüler*innen davor schützen kannst.
“Statistisch gesehen sitzen in jeder Klasse ca. 4 Opfer von Cybergrooming-Angriffen.”
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Leo Kleinschmidt: Mit Cybergrooming meint man die Anbahnung sexueller Gewalt auf digitalem Weg. Dabei werden Kinder und Jugendliche beim Chatten, Surfen oder beim Gaming angesprochen. Diese Übergriffe passieren jeden Tag und auf fast jeder Plattform, auf der sich Menschen online austauschen – Das kann Instagram, Fortnite oder auch ebay Kleinanzeigen sein.
Straftäterinnen und Straftäter sprechen ihre Opfer an, erschleichen sich ihr Vertrauen und bringen sie Stück für Stück dazu, ihnen zum Beispiel Nacktbilder zu schicken oder sich vor der Webcam auszuziehen. Die Opfer merken oft gar nicht, dass sie missbraucht werden und mit jemandem schreiben, der seine Identität verschleiert hat.
Wer ist von Cybergrooming betroffen?
Leo Kleinschmidt: Statistisch gesehen sitzen in jeder Klasse ca. 4 Opfer von Cybergrooming-Angriffen. Das Problem betrifft Grund- und weiterführende Schulen fast gleichermaßen. Immer häufiger werden Jugendliche selbst zu Straftäterinnen und Straftätern, indem sie andere erpressen und nötigen.
Anfällig sind vor allem Kinder, die sozial isoliert sind oder insgesamt nach Freunden und vertrauten Personen suchen. Allerdings muss betont werden, dass vermutlich alle Kinder während ihrer Schulzeit mindestens einmal derartig angesprochen werden. Wichtig ist, wie die Kinder darauf reagieren.
Leo Kleinschmidt arbeitet als Sonderpädagoge an einer Grundschule in NRW und ist parallel als Medienberater aktiv. Durch verschiedene Projekte mit Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften hat er viele Tools für den Unterricht in der Digitalität, der digitalen Realität, kennengelernt. In seinem Unterricht planen und drehen Kinder Lege-Trick Filme, programmieren die Maus auf ihrem Weg zum Mond oder schauen hinter die Kulissen eines Werbespots.
Wie können sich Schüler*innen vor Cybergrooming-Attacken schützen? Leo Kleinschmidt: Der beste Schutz ist Medienkompetenz. Medienkompetente Kinder und Jugendliche werden deutlich seltener zu Opfern. Das liegt daran, dass sie:
- ihre Identität und privaten Daten wie die Adresse schützen.
- Fallen früher erkennen und seltener in diese tappen
- sich ihren Eltern, Freunden oder Lehrkräften anvertrauen
- Einstellungen und Sicherheitsmaßnahmen im Vorfeld treffen
- Kompetent mit Angriffen umgehen und diese melden oder zur Anzeige bringen können
Das heißt, der beste Schutz ist Prävention. Wer keine persönlichen Daten verrät, ist weniger anfällig. Wer keine Bilder verschickt, wird für Straftäterinnen und Straftäter uninteressant. Und wer richtig reagiert, hilft andere Kinder und Jugendliche zu schützen. Damit ist zuerst gemeint, mit einer erwachsenen Person über den Vorfall zu sprechen, Beweise zu sichern und eine Anzeige zu erstatten.
Was kann man als Lehrkraft gegen Cybergrooming unternehmen?
Leo Kleinschmidt: Zuerst müssen sich Lehrkräfte selbst professionalisieren. Das Thema ist belastend und komplex. Es braucht Hintergrundwissen und belastbare Quellen, um sich selbst gut aufzustellen.
Anschließend sollten Lehrkräfte starten, Unterrichtseinheiten zu entwickeln, die ihre Lerngruppen für das Thema Cybergrooming sensibilisieren. In diesen Einheiten sollte klar gemacht werden, wo die Gefahr lauert und wie man sie erkennt.
Dann sollte an der Prävention gearbeitet werden. Wer seine Daten schützt und richtig reagiert, ist deutlich sicherer. In der Schule müssen Opferschutzstellen sichtbar gemacht werden, damit jedes Opfer professionelle Hilfe abrufen kann.
Zuletzt sollte darauf Wert gelegt werden, dass Beweise gesichert und Anzeige erstattet werden können.
Zusammengefasst müssen Lehrkräfte sicherstellen, dass jede Schülerin und jeder Schüler handlungsfähig ist, um:
- sich zu schützen
- richtig zu reagieren
- sich Hilfe zu holen
- Beweise zu sichern und Anzeige zu erstatten
Und zum Abschluss: Welche Maßnahmen können Schulen gegen Cybergrooming ergreifen?
Leo Kleinschmidt: Gegen Cybergrooming kann keine Lehrkraft alleine nachhaltigen Erfolg erzielen. Es braucht eine konzeptionelle und verbindliche Verankerung im Lehrplan der Schule. Ziel muss es sein, dass jedes Kind, das die Schule verlässt stark gegen Cybergrooming gemacht wurde.
Dafür braucht es ein Schutzkonzept gegen sexuelle Gewalt, das digitale Inhalte beinhaltet. Dieses sollte von einer Gruppe aus Lehrkräften und pädagogischem Personal der Schule erstellt werden. Im Konzept wird ein Interventionsteam gebildet, welches Schülerinnen und Schülern erste Hilfe gibt und sie an professionelle Stellen weiterleitet. Darüber hinaus muss die Schule mit Eltern und externen Anlaufstellen kooperieren, damit alle von den wichtigen Informationen erreicht werden.
Die Schule muss also auf drei Ebenen aktiv werden:
- präventiv (Unterricht)
- reaktiv (Opferhilfe)
- konzeptionell (Schutzkonzept)
Online-Fortbildung:
Cybergrooming – Gemeinsam stark (re)agieren
In dieser Fortbildung lernst du, was Cybergrooming genau ist. Es geht darum, Cybergrooming zu verstehen und die Gefährdungslage für Schülerinnen und Schüler klarzustellen.