Digitale Tools im Deutschunterricht
Im Interview erklärt dir Lernbegleiterin, Lerntherapeutin und Scrum Masterin Lena Kesting, wie du digitale Tools sinnvoll und fördernd in deine Deutschunterricht einsetzen kannst.
Im Interview erklärt dir Lernbegleiterin, Lerntherapeutin und Scrum Masterin Lena Kesting, wie du digitale Tools sinnvoll und fördernd in deine Deutschunterricht einsetzen kannst.
Lena Kesting: Digitale Tools bieten Möglichkeiten, die es zuvor nicht gab oder nur mit viel Equipment möglich waren. Jeden Tag gibt es neue Innovationen, die schneller denn je für den Unterricht nutzbar sind. Besonders in den Bereichen Inklusion und Kreativität. Letzteres ist eine Schlüsselkompetenz für das Lernen in unserem Jahrhundert, um eine zukunfts- und wettbewerbsfähige Gesellschaft zu bleiben.
Dabei ermöglichen digitale Tools, Individualisierung und Selbstständigkeit im Unterricht für die Schülerinnen und Schüler, da durch eine digitale Lernumgebung im eigenen Tempo und an einem selbstgewählten Ort gelernt werden kann. Die Schülerinnen und Schüler werden dadurch in den Mittelpunkt gestellt.
Konkret erweitern digitale Tools das Methodenportfolio in zwei Bereichen: der Erweiterung und der Neubelegung des Deutschunterrichts. Besonders für den Start ist eine Erweiterung des Unterrichts ratsam, um sich selbst nicht zu überfordern. Nachschlagewerke zur Rechtschreibung, Synonymen, Regeln und Ähnliches sind stets griffbereit. Online-Recherche und Informationsbeschaffung ist unbegrenzt möglich durch eine Vielzahl an Enzyklopädien, digitalen Bibliotheken oder verschiedenen Suchmaschinen. Es gibt eine nahezu unendlichen Zugriff auf Texte, Audios oder Videos. Das Erstellen von multimedialen Präsentationen (Text-, Bilder-, Video- und Audiodateien) ist unkompliziert möglich. Es gibt unzählige Plattformen zum Üben von Textverständnis oder Grammatik. Es war noch nie so einfach, beispielsweise mit Textverarbeitungsprogrammen zu arbeiten und diese in ein anderes, gewünschtes Format zu wandeln. Die in der Arbeitswelt so wichtige asynchrone Zusammenarbeit ist dank eines gut administrierten, schulinternen Lern-Management-Systems (kurz LMS) problemlos möglich. Außerdem ermöglicht und fördert die Kollaboration mit entsprechenden Boards, Gruppenarbeit und das Feedback-geben. Nahezu alle Methoden können mithilfe von digitalen Tools erweitert und genutzt werden. Einige Tools ersetzen sogar 1:1 eine bestimmte Methode oder wurden extra dafür programmiert. Der Einsatz digitaler Tools kann den Unterricht abwechslungsreich gestalten, die Schülerinnen und Schüler aktiv einbeziehen und unterschiedliche Lernstile berücksichtigen.
Lena Kesting: Sie ermöglichen das Erarbeiten oder Nacharbeiten im eigenen Tempo, beispielsweise durch das Hören von Audios, dem Betrachten von Videos und der weiteren Recherche. Das Betriebssystem von z.B. Tablets ist mittlerweile so aufgestellt, dass es viele assistive Technologien gibt, beispielsweise indem die Schriftgröße verändert werden kann, die Tastatur in verschiedenen Sprachen hinterlegt, Autokorrektur möglich wird oder ein Voice Over über die Funktionen gelegt werden kann. Auch gibt es die Möglichkeit, recherchierte Texte im Internet in einer ablenkungsarmen eReader-Version anzeigen zu lassen, dort Texte zu übersetzen, markierte Worte direkt nachzuschlagen oder Texte aus Fotos oder Screenshots per “copy and paste” zu nutzen.
Lena Kesting: Die Nutzung von digitalen Tools ist aus dem Unterricht für die Schülerinnen und Schüler nicht mehr wegzudenken und so selbstverständlich, wie die Nutzung eines Buches oder Stiftes. Besonders die Arbeit mit dem LMS, der Organisation von Lernplänen oder der Kommunikation via Chat oder Mail sind mittlerweile implementiert. Die Recherche von Informationen, das Konzipieren und Planen von Aufgaben, kollaborativ in der Gruppe und das Präsentieren mit verschiedenen, digitalen Tools klappen gut. Die Schülerinnen und Schüler haben favorisierte Tools und nutzen eher ungerne, neu eingeführte Tools, die ähnliche Dinge können.
Was jedoch auffällt ist, dass oft die Verknüpfung verschiedener digitaler Tools schwer fällt. Anders als am PC arbeitet ein Tablet mit verschiedenen Apps oder Ablagen auf dem Homescreen. Diese kommunizieren durch “Teilen” miteinander, manchmal sind jedoch auch “copy and past” oder kreative Umwege nötig, um beispielsweise eine Präsentation im LMS hochzuladen oder einen Screenshot in ein Dokument einzufügen. Diese Schritte sitzen oft nicht ganz sicher und es wird Hilfe benötigt. Auch ist zu beobachten, dass die Schülerinnen und Schüler, haben sie einmal ein Tool lieb gewonnen, schwer davon abzubringen sind, etwas Neues auszuprobieren. Man darf eben nicht unterschätzen, dass bei der Arbeit mit digitalen Tools nicht nur der Arbeitsauftrag und das Ergebnis wichtig sind, sondern auch der Umgang mit dem Tool selbst.
Jana Tichauer: Natürlich! Es bedarf der richtigen Infrastruktur, wie zum Beispiel Endgeräten, einer vernünftigen Ausstattung im Klassenraum und natürlich WLAN. Und man muss sich als Lehrkraft erst einmal selbst mit all den Tools und Möglichkeiten vertraut machen. Ich glaube aber, dass wir mit ein bisschen Mut und Flexibilität vieles lösen können – und das sind sowieso unsere zwei Superkräfte als Lehrer:innen!
Lena Kesting: Schöne Frage! Ich bin sehr affin für neue digitale Tools, was nicht heißt, dass ich Informatikerin bin oder den ganzen Tag programmiere. Ich bin klassische Anwenderin. Wenn ich auf einer Veranstaltung oder in Gesprächen ein neues Tool kennenlerne, notiere ich mir Namen und Funktion und teste es in einer ruhigen Minute aus. Dann gleiche ich es mit anderen Tools ab, die ähnliche Funktionen haben und prüfe das Handling für mich. Ich überlege, ob ich es für den Unterricht oder für meine eigene Organisation nutzen kann oder will und wie groß die Implementation des digitalen Tools ist, ob es sich um ein digitales Tool mit einem großen Mehrwert für viele Menschen in der Schule. Dann teste ich es aus. Fällt das Feedback positiv aus, implementiere ich das Tool dauerhaft.
Dieser Ablauf könnte dir helfen:
(1) Aufgeschlossen sein, neuen Tools gegenüber
(2) Recherche über das Tool (Einsatzmöglichkeiten, Anmeldeprozedere für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler, Datenschutz, Betriebssystem, Kosten, Voraussetzungen, …)
(3) Demo und Testen
(4) Abgleich mit dem eigenen Arbeitsumfeld und den Ressourcen der Schule
(5) Abgleich mit vergleichbaren Tools
(6) Einsatz überlegen (nur für mich, für meinen Unterricht, für ein Team von Menschen, für die gesamte Schulgemeinschaft)
(7) Austausch im Team
(8) Klärung mit Administration
(9) Implementation
Allgemein gilt, lasse dich von neuen digitalen Tools begeistern, aber führe nicht jedes Tool ein. Das führt zu einer Toolfizierung. Je nachdem, wie gut die Absprachen an der eigenen Schule sind, kann es sein, dass eine Klasse je nach Lehrkraft mit z.B. verschiedenen kollaborativen Boards arbeitet. Versetze dich in die Situation an deiner Schule und versetze dich auch in die Perspektive der Schülerinnen und Schüler. Ich möchte davor warnen, zu schnell zu viele digitale Tools einzuführen. Zum Ausprobieren als “trial and error” sicherlich gut, muss aber gut auf die Situation an deiner Schule und Lerngruppe abgestimmt sein.
Lena Kesting Überlege dir, welches Ziel du mit dem Einsatz digitaler Tools im Deutschunterricht verfolgst. Möchtest du die Schreibfähigkeiten verbessern, das Hörverständnis fördern oder die Interaktion und Zusammenarbeit der Schülerinnen und Schüler unterstützen? Indem du klare Ziele setzt, kannst du die Auswahl und den Einsatz digitaler Tools besser auf diese Ziele ausrichten. Wähle Tools aus, die den Bedürfnissen deiner Schülerinnen und Schüler entsprechen und die zu den Lernzielen passen.
Achte darauf, dass die digitalen Tools sinnvoll in den Unterrichtskontext eingebettet sind. Verwende sie nicht nur als reine Technologie, sondern stelle sicher, dass sie den Lernprozess unterstützen und die Lerninhalte vertiefen. Digitale Tools können den Unterricht bereichern, sollten jedoch nicht zum Selbstzweck werden. Plane angemessen Zeit ein, um den Schülerinnen und Schülern den Umgang mit digitalen Tools zu erklären und sie bei der Anwendung zu unterstützen. Berücksichtige dabei auch, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler über die gleiche digitale Kompetenz verfügen.
Achte bei der Auswahl und Nutzung digitaler Tools auf den Schutz der persönlichen Daten der Schülerinnen und Schüler. Informiere dich über die Datenschutzrichtlinien der digitalen Tools und sorge dafür, dass du den Datenschutzbestimmungen folgst.
Nutze digitale Tools als Ergänzung zum traditionellen Unterricht, aber versuche auch, eine ausgewogene Mischung aus analogen und digitalen Aktivitäten anzubieten. Jede Lernsituation ist einzigartig, daher ist es wichtig, flexibel zu sein und unterschiedliche Ansätze auszuprobieren.
Diese Ideen sollten dir dabei helfen, digitale Tools im Deutschunterricht zu nutzen und den Lernprozess der Schülerinnen und Schüler sinnvoll zu unterstützen. Sprich darüber im Team, wenn du Bauchschmerzen beim Einsatz von digitalen Tools hast, z.B. Ängste, Sorgen oder Unsicherheiten. Bereite Unterrichtsvorhaben gemeinsam vor und plant den Einsatz gemeinsam. Sprich dich mit anderen ab und probiert gemeinsam aus. Es betrifft alle im Team, egal welcher Fachschaft. Sprich auch mit den Schülerinnen und Schülern darüber und frage ab, welche Erfahrungen sie haben. Fange klein an. Nutze ein browserbasiertes Tool oder eine App. Weniger ist mehr.
In dieser Fortbildung lernst du, wie du digitale Tools in deinem Deutschunterricht einsetzen kannst.