Teamwork: Lehrende profitieren von Zusammenarbeit
In fast jedem Vorstellungsgespräch wird Teamfähigkeit gefordert. Denn Unternehmen wissen, dass man gemeinsam die besten Ergebnisse erzielt. An Schulen fehlt für Teamarbeit oft der Raum – im Schulgebäude und im Stundenplan. Wie kann Teamarbeit unter Lehrkräften gelingen und gefördert werden?
Zusammenarbeit an Schulen kann sehr vielfältig sein. Lehrkräfte können sich fachspezifisch austauschen, es kann Teamgespräche pro Jahrgangstufe geben oder man kann gegenseitig den Unterricht besuchen, um sich Feedback zu geben.
An einigen Schulen gehören Formen der Zusammenarbeit im Kollegium zum Schulalltag – aber das sind bisher immer noch Ausnahmen.
Lehrkräfte, die im Team arbeiten, wissen Vorteile zu schätzen
Studien belegen: Intensive Zusammenarbeit unter Lehrkräften im Schulalltag geht in der Regel mit höherer Berufszufriedenheit, höherem Kompetenzempfinden, höherem Enthusiasmus fürs Unterrichten und geringerer emotionaler Erschöpfung einher.
Viele Lehrkräfte, die sich regelmäßig mit Kolleg*innen austauschen schätzen die praktische Vorteile der Zusammenarbeit: Arbeitsentlastung bzw. Zeitersparnis und Austausch von Unterrichtsmaterial und Ideen. Erfahrungsaustausch, sowie Steigerung der Unterrichtsqualität durch Reflexion der eigenen Arbeit und Unterstützung durch Kollegen. Auch soziale Aspekte können sich aus Teamarbeit ergeben, wie etwa ein größeres Zusammengehörigkeitsgefühl und Steigerung der Arbeitsmotivation.
Gegenseitige Hospitationen und schulinterne Fortbildungen können helfen, um den Unterricht zu verbessern und von den Stärken anderer zu lernen.
Teamarbeit leider immer noch die Ausnahme
Dennoch sind viele Formen der Lehrerkooperation hierzulande noch eher die Ausnahme. Meist beschränkt sich das tatsächliche Teamwork auf den Austausch von Unterrichtsmaterialien oder Informationen zu Schülerleistungen oder Vertretungsstunden. Je mehr Aufwand, Struktur und Verbindlichkeit hingegen eine Kooperation erfordert, desto seltener ist sie bislang an deutschen Schulen zu beobachten. Die Studie «Lehrerkooperation in Deutschland» zeigt auf: Nur jeder vierte Lehrkraft macht gemeinschaftlichen Unterricht mit Kollegen. Nicht einmal jeder Zehnte hospitiert häufiger im Unterricht anderer Lehrer*innen.
Die Feedback-Kultur innerhalb des Kollegiums sei „besonders schwach ausgeprägt“, sagen die Bildungsforscher Dirk Richter (Bergische Universität Wuppertal) und Hans Anand Pant (HU Berlin), dem Tagesspiegel: „Ein Großteil der Lehrkräfte in Deutschland erhält keine oder nur sehr wenige Einblicke in den Unterricht anderer Kollegen.“
Auch im internationalen Vergleich schneiden deutsche Lehrkräfte in puncto Kooperation und Teamarbeit laut der aktuellen ICILS Studie leider schlecht ab:
So kommt die Studie zum Fazit: „Auch im Hinblick auf die schulischen Kooperationsaktivitäten der Lehrpersonen wird deutlich, dass Lehrpersonen in Deutschland den Wert von schulischen Kooperationen einerseits erkannt haben und sie beispielsweise im Rahmen von Arbeitsgruppen und gegenseitigen Unterrichtshospitationen bereits nutzen. Andererseits wird im internationalen Vergleich sehr deutlich, dass die Potenziale von Kooperationen zur innerschulischen Professionalisierung und Qualifizierung in Deutschland weiterhin nur unterdurchschnittlich ausgeschöpft werden. “
Alle wollen – keiner macht’s
Das liegt nicht daran, dass Lehrer*innen ungern zusammenarbeiten. Eine Umfrage im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung, der Robert Bosch Stiftung, der Stiftung Mercator und der Telekom Stiftung hat ergeben, dass fast alle Teamarbeit begrüßen. 97 Prozent der Befragten erachten Zusammenarbeit als wichtig und für 87 Prozent lohnt sich der damit verbundene Aufwand.
Wichtig bei dieser Umfrage ist auch die Definition von Zusammenarbeit. Werden Unterrichtsmaterialien ausgetauscht oder wird Unterricht gemeinsam gestaltet? Das lässt die Studie unbeantwortet.
Der Wille scheint da zu sein, Lehrer*innnen wollen im Team arbeiten, aber die Rahmenbedingungen erschweren dies. Zum einen fehlt es in den Gebäuden an geeigneten Räumen für Teamgespräche und Projekte. Und zum anderen fehlt es an Zeit. Nina Toller, Lehrerin am Gymnasium, schreibt auf ihrem Blog „Toller Unterricht“:
„Aber Moment mal: Wie soll das Ganze denn nun praktisch aussehen? Sollen diese internen Fortbildungen untereinander etwa auch „on top“ und geschenkt angeboten werden? „
Wie kann Teamwork gelingen? Eine Frage der Rahmenbedingungen
Wenn die Vorteile der Zusammenarbeit von so Vielen geschätzt wird – Warum gibt es dann so wenig Teamwork an Schulen?
Betrachtet man das ganze Bild, so erkennt man, dass Kooperation in erster Linie eine Frage der Rahmenbedingungen sind. Um professionell zusammenarbeiten zu können, benötigen Lehrkräfte vor allem Freiraum. Und der ist an deutschen Schulen häufig kaum gegeben. Professionelle Teamarbeit wird erschwert, wenn Lehrkräfte dafür Stunden „opfern“ müssen: nach dem Unterricht, am Wochenende oder in der unterrichtsfreien Zeit. Teamwork kostet Zeit, die im Schulalltag integriert werden muss und passiert nicht “nebenbei”. Teamwork und Austausch braucht auch physische Räume, die dazu einladen sich auszutauschen und wo Teams sich zurückziehen können, um sich in Ruhe zu besprechen.
Lehrer*innen fordern feste Teamzeiten
Damit Lehrkräfte mehr zusammenarbeiten, müssen sich die Rahmenbedingungen an Schulen verändern. Es braucht feste Zeiten für Gespräche und Strukturen für gemeinsame Projekte. Teamwork entsteht nicht nebenbei, sondern nur wenn man sich dafür Raum schafft.
Wenn Lehrer im Team arbeiten, sind sie laut Studien zufriedener, seltener krank und ihre Schüler lernen besser. Wenn ich mich aber mit Kollegen treffen will, um Unterricht vorzubereiten, geht das oft nur in Pausen oder am Wochenende. Team-Zeiten gehören in den Lehrer-Stundenplan!
— Bildungslücken (@lueckenbildung) 24. Januar 2019
So geht Teamwork
Die Möglichkeiten für Zusammenarbeit unter Lehrer*innen sind vielfältig. Kooperation sollte an Schulen gefördert werden, aber auch darüber hinaus ist der Austausch hilfreich. Ein Beispiel für überregionale und vielfältigen Austausch ist das #twitterlehrerzimmer. Hier stellen Lehrer*innen Fragen, teilen Ideen und tauschen sich aus.
Vom Einzelkämpfer zum Teamplayer. Zwei angehende Lehrerinnen aus meinem Seminar erklären wie es geht. #PLN #DiBiS #fl_seminar #referendariat #twitterlehrerzimmer pic.twitter.com/oUN1Urw1pH
— Jan Vedder (@vedducation) 13. April 2019
Kooperation wird für Gesellschaft und Arbeitswelt immer wichtiger
Es ist auch wichtig, dass wir Schüler*innen befähigen, gemeinschaftlich in Teams zu arbeiten. Denn Kooperation wird auch in unserer Gesellschaft und Arbeitswelt immer wichtiger. In fast jedem Vorstellungsgespräch wird Teamfähigkeit gefordert. Denn Unternehmen wissen, dass man gemeinsam die besten Ergebnisse erzielt.
Das zeigt sich sogar, wenn man die Nobelpreisträger der letzten Jahrhunderte anschaut. In einer Analyse zeigt Jöran Muuß-Merholz anschaulich in einer Analyse: Koooperation ist im 21. Jahrhundert der Standard bei Nobelpreisträgern. Waren die Akteure in Wissenschaft und Politik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch Einzelkämpfer, so sind es heute mehrheitlich Teamarbeiter*innen. Doch während in der Gesellschaft Teamwork immer wichtiger wird, wird Teamwork bei Schüler*innen in der Schule wie z.B. in Tests und Klausuren oftmals immer noch bestraft.
Nur Lehrkräfte, die selbst auch im Team arbeiten, können solches Schüler*innen auch vermitteln. Schulen, die ihren Unterricht weiterentwickeln wollen, müssen also selbst Teamarbeit im Kollegium praktizieren. Dabei können auch digitale Arbeitsformen helfen und die Zusammenarbeit erleichtern. Wie so eine digitale Zusammenarbeit unter Lehrer*innen aussehen kann, zeigt z.B. das aktuelle Buch “Routenplaner #digitale Bildung: Auf dem Weg zu zeitgemäßer Bildung”, ein tolles Beispiel für Zusammenarbeiten im digitalen Wandel. Die Autoren Axel Krommer, Philippe Wampfler, Dejan Mihajlović, Jöran Muuß-Merholz und Martin Lindner haben das Buch komplett in digitaler Kollaboration und Koordination geschrieben. Der Entstehungsprozess kann auf der Webseite zum Buch nachgelesen werden.
Multiprofessionelle Teams in Schulen
Die Zeit berichtet über multiprofessionelle Teams an der er Heinz-Brandt-Schule in Berlin. Dort kommen Klassenlehrer*innen, Fachlehrer*innen, Referendar*innen und Schulsozialarbeiter*innen wöchentlich zusammen. Es wird die vergangene Woche besprochen: Wer war auffällig? Was lief gut? Und es werden gemeinsam Lösungen für Probleme gesucht.
Multiprofessionelle Teams an Schulen sind keine neue Erfindung. Sie werden seit Jahren von den Schulministerien der Länder gefördert. Zum Beispiel wurden Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte geschaffen. Das die zahlreichen Herausforderungen an Schulen nicht allein von Lehrer*innen getragen werden können, ist mittlerweile klar.
Inklusion, Integration, Digitalisierung – um die Kinder auf die Zukunft vorzubereiten braucht es verschiedene Professionen in Schulen.
Und genau das ist das Ziel von multiprofessionellen Teams. Es sollen Lehrkräfte, Sozialarbeiter*innen, Schulpsycholog*innen und Integrationshelfende zusammenkommen und voneinander profitieren.
Fest steht: Kooperation und Teamarbeit ist ein starker Erfolgsfaktor für gute Schule. Um dies besser zu unterstützen brauchen wir verbesserte Rahmenbedingungen. Kooperation muss als fester Bestandteil der Arbeitszeit in den Schulalltag eingebunden werden. Es erfordert aber auch einen Wandel im Berufsverständnis von Lehrkräften: Weg von der Einzelkämpfer hin zum Teamplayer.