Erfahre von Judith Holle, warum es gut ist, Dinge zu verlernen und neu zu lernen und warum eine gemeinsame Vision und ein starker Teamgeist der Schlüssel zur Innovation und einer neuen Lernkultur ist.
16. Mai 2024
Liebe Judith, wie seid ihr auf den Namen „UnLearn“ für das Projekt gekommen? Sollen Schüler*innen fortan vergessen, was sie bereits gelernt haben? Judith Holle: Dieser Begriff ist ganz zentral für die Transformation von Schule, um die es bei „UnLearn School – Auf dem Weg zum Lernen der Zukunft“ geht. Unlearn heißt so viel wie “verlernen”. Aber es geht nicht um das Verlernen von in Schule erlernten Kompetenzen oder Inhalten, sondern darum, zu Verlernen und neu zu lernen, wie wir Schule und Lernprozesse kennen und leben. Den Schulen, von denen UnLearn School berichtet, geht es um einen tiefgreifenden Lernkulturwandel, also eine Veränderung der Art und Weise, wie wir Lehren und Lernen gestalten. Das bedeutet nicht nur, hier und da ein nettes Projekt als eine Art Add-On umsetzen – sondern es hat damit zu tun, eigene Haltungen und Glaubenssätze zu hinterfragen und grundlegende Strukturen von Schule aufzubrechen, die wir schon seit langer Zeit kennen und meist auch für normal oder alternativlos halten. Wenn wir diese angenommenen Selbstverständlichkeiten nicht grundsätzlich in Frage stellen, werden wir niemals tiefgreifende Transformation erreichen. Das ist aber nichts, was mal eben so zufällig und nebenbei passiert. Das ist etwas, womit wir uns aktiv beschäftigen müssen, um nicht immer wieder in die gleichen altbekannten Muster zu fallen. Diese Muster zu verlernen, das ist ein wichtiger Aspekt vom Lernkulturwandel – und von Veränderung und Transformation im Generellen. Deshalb widmen wir dem Konzept und der psychologischen Relevanz von „UnLearn“ auch ein ganzes Kapitel in unserem Buch.
Ihr zeigt in eurem Buch fünf Dimensionen der Veränderung von Schule und des Lernkulturwandels auf. Könnt ihr uns mehr darüber erzählen? Judith Holle: Die fünf Dimensionen für den Lernkulturwandel haben wir im Rahmen von UnLearn School herausgearbeitet. Sie zeigen einen ganzheitlichen Blick auf die Veränderung von Schule und berücksichtigen einerseits den Blick auf das Lernen selbst, also auf den Lernkulturwandel, den es in Schule zu gestalten gilt. Sie nehmen darüber hinaus aber auch weitere Rahmenbedingungen in den Blick, die notwendig dafür sind, um überhaupt auf der pädagogischen Ebene zielgerichtet arbeiten zu können. Diese fünf Dimensionen bilden somit einen möglichst ganzheitlichen Blick auf die Veränderung von Bildungsinstitutionen und ganz spezifisch von Schulen ab und geben auch Einblicke in mögliche Entwicklungsbereiche der Transformation.
Diese fünf Dimensionen umfassen:
Eigenständiges Handeln der Lernenden
Lernbegleitung und offene Lernformen
Gestaltung von Lernorten
Lernen in der Digitalität
Zusammenarbeit in der Schulgemeinschaft
Zu jeder dieser Dimensionen haben wir eine Filmepisode gedreht, die Good-Practice-Beispiele zeigt, welche Möglichkeiten es gibt, Schule in dieser Dimension neu und zukunftsgerichtet zu gestalten.
Judith Holle ist Geschäftsführerin von beWirken, Co-Autorin vom „Methodenbuch für digitalen Unterricht“ und leitet die beWirken Akademie. Sie arbeitet intensiv an der Veränderung von Schule, um eine neue Lernkultur zu etablieren. Als Pädagogin und systemischer Coach begleitet sie Schulen bei Veränderungsprozessen, konzipiert Fortbildungen zu digitalem Lernen, Lernbegleitung und Demokratie in Schule und entwickelt innovative Materialien, die bei der Umsetzung einer neuen Lernkultur unterstützen.
Ihr führt 16 Good-Practice-Beispiele aus acht innovativen Schulen an. Was sind einige der Schlüsselmerkmale dieser Schulen, die sie besonders innovativ machen, und wie können andere Schulen davon profitieren? Judith Holle: Das ist eine super wichtige und spannende Frage. Was die ganz formalen Bedingungen der Schulen angeht, haben wir extra darauf geachtet, dass sie möglichst divers sind. Unterschiedliche Bundesländer, verschiedene Schulformen und Einzugsgebiete, staatliche und private Trägerschaft. Aber in der Gestaltung von Lernen und Schule lassen sich viele Gemeinsamkeiten finden. Zum einen ist all diesen Schulen gemeinsam, dass sie die indiviuellen Bedarfe, Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten von Schüler*innen in den Fokus ihrer Überlegungen stellen. Alle diese Schulen beschäftigen sich damit, wie sie Strukturen und Lernsituationen schaffen können, in denen sie einzelnen Bedürfnissen, Interessen, Stärken und Herausforderungen gut begegnen, diese fördern und unterstützen können. Dafür finden sie unterschiedliche Wege – aber die Ziele und die Visionen sind sehr nah beieinander. Und das führt auch direkt zum nächsten Punkt: Die Schulen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine gemeinsame Vision, ein Zielbild verbindet, nach dem sie sich ausrichten. Diese Vision wird getragen sowohl von einer starken Schulleitung, die vorangeht, die sich als Gestalter*in der Schule versteht dabei aber auch ganz stark das Team und die Schüler*innen empowert und unterstützt, die Schule aktiv mitzugestalten. Die Schulen zeichnen sich durch starke Teamzusammenarbeit aus – nicht die Lehrkraft als Einzelkämpfer*in, sondern wir arbeiten gemeinsam auf ein Ziel hin, mit gemeinsamen Konzepten. Auch ein wichtiger Aspekt ist – und das war uns auch für die Auswahl der Schulen ganz wichtig – dass die Schulen sich als permanent Lernende verstehen. Auch wenn sie schon viel erreicht haben, und teils als Leuchtturmschulen viel besucht werden, sind sie ständig dabei zu evaluieren, sich weiterzuentwickeln, neu auszuprobieren. Sie sind in diesem permanenten Prozess des Verlernens und neu Lernens.
Welchen Rat würdet ihr Lehrkräften geben, die auch den Lernkulturwandel an der eigenen Schule anstoßen möchten? Judith Holle: Ein erster konkreter Schritt, das ist auch die Erfahrung der Good-Practice-Schulen, ist das Hospitieren an anderen Schulen. Ein Besuch an einer anderen Schule, die sich auf dem Weg zum Lernen der Zukunft befindet, gibt Inspiration und eine Idee davon, wie neue Lernkonzepte tatsächlich aussehen können. Was wollen wir übernehmen? Was passt weniger zu unserer Schüler*innenschaft? Und dann ist es wichtig, diese Perspektiven auch ins Kollegium zu bringen, Gespräche und Denkprozesse anzustoßen, immer mehr Menschen mit der Idee anzuzünden, was möglich wäre. Eine Möglichkeit, das zu tun, ist z.B. auch, einen Filmabend für die eigene Schulgemeinschaft anzubieten. Hierfür haben wir sogar extra Materialien entwickelt, um ganz einfach einen Workshop oder ein Filmscreening mit den UnLearn School Filmepisoden an der eigenen Schule umzusetzen.
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