Liebe Judith, wie seid ihr auf den Namen „UnLearn“ für das Projekt gekommen? Sollen Schüler*innen fortan vergessen, was sie bereits gelernt haben?
Judith Holle: Dieser Begriff ist ganz zentral für die Transformation von Schule, um die es bei „UnLearn School – Auf dem Weg zum Lernen der Zukunft“ geht. Unlearn heißt so viel wie “verlernen”. Aber es geht nicht um das Verlernen von in Schule erlernten Kompetenzen oder Inhalten, sondern darum, zu Verlernen und neu zu lernen, wie wir Schule und Lernprozesse kennen und leben. Den Schulen, von denen UnLearn School berichtet, geht es um einen tiefgreifenden Lernkulturwandel, also eine Veränderung der Art und Weise, wie wir Lehren und Lernen gestalten. Das bedeutet nicht nur, hier und da ein nettes Projekt als eine Art Add-On umsetzen – sondern es hat damit zu tun, eigene Haltungen und Glaubenssätze zu hinterfragen und grundlegende Strukturen von Schule aufzubrechen, die wir schon seit langer Zeit kennen und meist auch für normal oder alternativlos halten. Wenn wir diese angenommenen Selbstverständlichkeiten nicht grundsätzlich in Frage stellen, werden wir niemals tiefgreifende Transformation erreichen. Das ist aber nichts, was mal eben so zufällig und nebenbei passiert. Das ist etwas, womit wir uns aktiv beschäftigen müssen, um nicht immer wieder in die gleichen altbekannten Muster zu fallen. Diese Muster zu verlernen, das ist ein wichtiger Aspekt vom Lernkulturwandel – und von Veränderung und Transformation im Generellen. Deshalb widmen wir dem Konzept und der psychologischen Relevanz von „UnLearn“ auch ein ganzes Kapitel in unserem Buch.
Ihr zeigt in eurem Buch fünf Dimensionen der Veränderung von Schule und des Lernkulturwandels auf. Könnt ihr uns mehr darüber erzählen?
Judith Holle: Die fünf Dimensionen für den Lernkulturwandel haben wir im Rahmen von UnLearn School herausgearbeitet. Sie zeigen einen ganzheitlichen Blick auf die Veränderung von Schule und berücksichtigen einerseits den Blick auf das Lernen selbst, also auf den Lernkulturwandel, den es in Schule zu gestalten gilt. Sie nehmen darüber hinaus aber auch weitere Rahmenbedingungen in den Blick, die notwendig dafür sind, um überhaupt auf der pädagogischen Ebene zielgerichtet arbeiten zu können. Diese fünf Dimensionen bilden somit einen möglichst ganzheitlichen Blick auf die Veränderung von Bildungsinstitutionen und ganz spezifisch von Schulen ab und geben auch Einblicke in mögliche Entwicklungsbereiche der Transformation.
Diese fünf Dimensionen umfassen:
- Eigenständiges Handeln der Lernenden
- Lernbegleitung und offene Lernformen
- Gestaltung von Lernorten
- Lernen in der Digitalität
- Zusammenarbeit in der Schulgemeinschaft
Zu jeder dieser Dimensionen haben wir eine Filmepisode gedreht, die Good-Practice-Beispiele zeigt, welche Möglichkeiten es gibt, Schule in dieser Dimension neu und zukunftsgerichtet zu gestalten.