Barcamps in der Schule organisieren und umsetzen

Interview, Lehrerbildung

Was unterscheidet Barcamps von herkömmlichen Konferenzen und ist das innovative Format immer die bessere Wahl? Im Interview mit Tom Mittelbach wird dir erklärt, wie Barcamps funktionieren, warum sie an deiner Schule Anwendung finden sollten und wie ein typischer Barcamp-Tag aussehen kann.

1. Juni 2023

Vorschaubild der Fortbildung Barcamps in der Schuule organisieren und umsetzen

Von Barcamps haben die einen nur gehört, andere organisieren sie bereits und wieder andere können mit dem Begriff gar nichts anfangen: Was ist das also – ein Barcamp, Tom?

Tom Mittelbach: Ein Barcamp ist eine Tagung, die Inhalte nicht vorwegnimmt. Es ist eine Konferenz, die vor Ort mit den Menschen, die dabei sind, inhaltlich gestaltet wird. Deswegen nennt man ein Barcamp auch Unkonferenz. Im Rahmen des Barcamp finden also ausschließlich die Themen der Teilnehmenden ihren Raum und werden gemeinsam bearbeitet. Alle Anwesenden sind in höchstem Maße eingebunden, beteiligt und engagiert.

Warum eignen sich Unkonferenzen wie diese auch oder vielleicht sogar besonders für Schulen?

Tom Mittelbach: Ein Barcamp eignet sich in sehr hohem Maße für den Einsatz in der Bildung, weil die Sessions (= die 45-minütigen Timeboxen) im Rahmen des Barcamps mit den Schüler*innen und Lehrer*innen gemeinsam geplant werden. So kann beispielsweise ein Barcamp für die Abiturvorbereitung durchgeführt werden. Dort werden dann die Themen, Inhalte und Fragestellungen, die den Teilnehmenden wichtig sind, von ihnen selbst gesetzt und bearbeitet. Besonders eignet es sich für die Schule, weil die Schüler*innen selbst ihre Themen und Inhalte bestimmen können. Auch ist die Begegnung von Schüler*innen und Lehrenden sehr inspirierend und sinnstiftend für alle Beteiligten.

Tom Mittelbach ist seit über zehn Jahren Fachoberlehrer an einer Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg. Er unterrichtet die Fächer Sport, Naturwissenschaft und Technik sowie Ethik. Er hält Keynotes zum Thema Agilität und bringt mit Workshops und seinem Buch „Scrum in die Schule!“ das agile Rahmenwerk in die deutschen Klassenzimmer. Als Fortbildner führt er unter anderem Barcamps, pädagogische Tage und erlebnispädagogische Fortbildungen durch. Bevor er in den Schuldienst kam, arbeitete er ein Jahrzehnt als Streetworker in Ulm. Mehr Informationen gibt es auf seiner persönlichen Website sowie Scrum in die Schule.

Welche Vorteile haben Barcamps im Vergleich zu herkömmlichen Konferenzen?

Tom Mittelbach: Ein Vorteil ist der, dass die Themen von den Menschen vor Ort festgelegt werden. Jeder von uns war schon einmal auf einer Tagung, auf der das Gefühl von verschwendeter Lebenszeit so intensiv war. Das geschieht auf einem Barcamp nicht, weil die Teilnehmer*innen die Themen setzen und sich selbstbestimmt die Sessions aussuchen, die sie interessieren, für die sie brennen.

Und sollte eine Session mal nicht meinen Erwartungen entsprechen, dann besagt das »Gesetz der zwei Füße«, dass ich die Sessions mit meinem Verlassen ehre. Dann gehe ich in eine andere Session. Ein weiterer Vorteil ist die große Menge an Impulsen und an Kontakten mit unterschiedlichsten Personen in selbstgewählten Settings. Zu guter Letzt erlebt man sich sehr selbstwirksam auf einem Barcamp, man bewegt und stößt Dinge an, setzt Themen und findet Impulse und mögliche Antworten und Ideen.

Wie kann ich mir einen typischen Barcamp-Tag vorstellen?

Tom Mittelbach: Du kommst morgens an, wirst freundlich begrüßt und kannst dich mit einem kleinen Fingerfood und einem Getränk eindecken. Nach einer kurzen Vorstellung des Tagesablaufs und der Methode Barcamp reichst du einen Sessionvorschlag ein, bspw. zu einer Frage, die dir gerade brennt. Du stellst deinen Sessionvorschlag allen Anwesenden vor, dann wird abgefragt, ob es Interesse an deinem Sessionvorschlag gibt. Wenn es Interesse gibt, dann erhältst du zu einer bestimmten Uhrzeit einen Raum und führst dann dort deine Session durch. Du besuchst selbst andere Sessions, vor und nach deiner eigenen Session.

Du bringst dich ein und stellst deine Expertise zur Verfügung. In deiner Session bittest du andere Teilgebende ein Protokoll zu erstellen, damit alle am Barcamp Beteiligten nachlesen können, was gesprochen und unter Umständen geplant wurde. Irgendwann ist eine Mittagspause, in der es etwas zu essen gibt – du wirst mit anderen freundlichen Menschen zusammen essen und auf ganz natürliche Weise netzwerken und Impulse sammeln. Am Ende des Barcamps sind noch einmal alle zusammen im Abschlussplenum und der Barcamptag neigt sich seinem Ende zu. Ein Barcamptag, an dem du selbstbestimmt Themen gesetzt hast und dir Sessions ausgesucht hast, die dein Interesse geweckt haben und hast dich dort aktiv eingebracht. Dann gehst du inspiriert, voller Ideen, mit neuem Wissen und vielen Eindrücken müde nach Hause und wirst allen erzählen, wie toll es auf dem Barcamp war.

Würdest du eine Unkonferenz einer klassischen Konferenz stets vorziehen? Und falls ja: Warum?

Tom Mittelbach: Nein, das würde ich nicht tun. Eine klassische Konferenz, auf der ein bestimmtes Thema vorrangig ist und durch im Mittelpunkt stehende Referent*innen und einzelne Angebote vermittelt und bearbeitet wird, hat genauso seine Berechtigung. So möchte ich vielleicht ganz gezielt nur ein Thema kennenlernen und dazulernen und mich selbst auch mal berieseln lassen. Auch kann eine Fachkonferenz aufgrund gezielter Vermittlung ganz bestimmter Themen sinnvoll sein.

Wenn ich aber ein agiles Konferenzformat möchte, auf dem basisdemokratisch die Themen der im Mittelpunkt stehenden Anwesenden vor Ort gesetzt werden, dann ziehe ich das Barcamp auf jeden Fall einer klassischen Konferenz vor.

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