Begleiten statt verbieten – Interview mit Anika Osthoff & Leonie Lutz
Digitale Medien und die Nutzung von Social Media sind für unsere Kinder nicht mehr wegzudenken – doch wie gelingt der sichere digitale Umgang als Familie, ohne das Smartphone wegzusperren? Über genau diese Fragen haben Anika Osthoff und Leonie Lutz ihr Buch Begleiten statt verbieten: Als Familie kompetent und sicher in die digitale Welt geschrieben. Wir haben die beiden für ein Interview getroffen.
Liebe Anika, liebe Leonie, euer Buch Begleiten statt verbieten ist im Mai dieses Jahres erschienen – wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Buch über das gemeinsame digitale Familienleben zu schreiben?
Anika Osthoff: Wir hatten ja bereits Erfahrung im gemeinsamen Schreiben durch unser Workbook für Lehrkräfte Schüler digital begleiten. Uns war aber klar, dass wir genauso auch die Eltern mit digitalen Themen erreichen möchten, zumal die Geräte der Kids ja erst einmal in elterlicher Verantwortung liegen.
Wir sind davon überzeugt, dass die Gefahren und Chancen, die die Nutzung der privaten Geräte mitbringt, auch in der Schule thematisiert werden muss, da wir nur dort wirklich alle Kinder erreichen – auch die, die zu Hause dabei nicht begleitet werden.
Die elterliche Begleitung ist jedoch durch nichts zu ersetzen, sodass wir auch Eltern noch einmal ganz viel Wissen mit an die Hand geben wollten, das sie dabei unterstützt.
Euer Buch trägt den Titel „Begleiten statt verbieten“ – was genau versteht ihr unter Begleitung im digitalen Raum?
Leonie Lutz: Wir wollen vor allem weg von einer Sicht, die in erster Linie nur die Gefahren und Risiken ins Zentrum stellt und Digitalität als etwas Bedrohliches ansieht, vor dem Kinder und Jugendliche beschützt werden müssen. Wir nehmen diese Gefahren und Risiken, die es natürlich gibt, sehr ernst und beschreiben genau, wie Eltern ihre Kinder schützen können. Das ist ein wesentlicher Teil digitaler Begleitung. Sicher eingestellte Geräte, Gespräche auf Augenhöhe und Interesse an der (digitalen) Welt der Kinder sind hier wesentlich effektiver als Verbote.
Wir wünschen uns zudem, dass Digitalität auch einen positiven Platz im Familienleben finden kann, der für Kreativität, Produktivität und gemeinsame Erlebnisse steht. Hierzu haben wir ganz viele Ideen und Projekte gesammelt, die nicht nur allen Spaß machen, sondern auch dabei helfen, wichtige Zukunftskompetenzen zu erlernen.
Sicher eingestellte Geräte, Gespräche auf Augenhöhe und Interesse an der (digitalen) Welt der Kinder sind hier wesentlich effektiver als Verbote.
Wir wünschen uns zudem, dass Digitalität auch einen positiven Platz im Familienleben finden kann, der für Kreativität, Produktivität und gemeinsame Erlebnisse steht.
Anika Osthoff (links) ist Lehrerin an einem Gymnasium und für die konzeptionelle Medienarbeit zuständig. Leonie Lutz ist Redakteurin und Bloggerin und bietet Online-Kurse für Eltern zu Themen wie „Kinder digital begleiten an“. Im Mai haben sie ihr Buch Begleiten statt verbieten: Als Familie kompetent und sicher in die digitale Welt veröffentlicht.
Direkt zu Beginn geht ihr auf die Angst ein, die in einigen Familien beim Umgang mit digitalen Medien vorherrscht. Wieso gibt es so viele Ängste in Familien, sobald sich Kinder eigenständig mit digitalen Medien beschäftigen?
Anika Osthoff: Das hat viel mit Unwissen und Unsicherheit zu tun. Die Welt der sogenannten „digital natives“ ist einfach ganz anders als das, was viele Eltern aus der eigenen Kindheit kennen. Und obwohl wir von digitalen „Ureinwohner:innen“ sprechen, spüren viele Eltern, dass ihre Kinder Begleitung brauchen. Das ist eine große Herausforderung.
Zudem hat Digitalität oder auch der Bildschirm in Deutschland schon länger ein schlechtes Image. Wir alle kennen sicherlich die „viereckigen Augen“, die einem bei zu langem Fernsehkonsum in Aussicht gestellt wurden. Eine diffuse Angst vor dieser Welt hat also durchaus auch Tradition. Diese Glaubenssätze dürfen wir gerne anfangen zu hinterfragen und auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen. Dann kommen wir sicherlich sehr schnell zu der Erkenntnis, welche Ängste wir ernst nehmen müssen und welche wir getrost loslassen dürfen.
Welchen Stellenwert hat die Medienerziehung eurer Ansicht nach für die Zukunft von Kindern und Jugendlichen?
Leonie Lutz: Medienerziehung ist für Kinder und Jugendliche absolut zentral. Wir wissen heute noch nicht, wie die Arbeitswelt von morgen aussehen wird. Sicher ist jedoch: Medienkompetenz wird in nahezu allen Berufen eine wichtige Rolle spielen. Wir haben daher zu Hause und in der Schule eine große Verantwortung.
Viele Eltern haben bei digitalen Medien einen geringeren Wissensstand als die eigenen Kinder. Wie funktioniert hier eine Begleitung im digitalen Raum – Habt ihr Tipps?
Anika Osthoff: Auf Augenhöhe. Es ist ein Trugschluss zu denken, dass man immer einen Wissensvorsprung braucht, um seine Kinder gut digital begleiten zu können. Was die Gefahren und Risiken angeht, ist das sicherlich so. Aber bei allem anderen kann man Medien auch gemeinsam entdecken, sich von seinem Kind zeigen lassen, wie man in Minecraft eine Welt baut, wie man ein Video schneidet oder Fotos bearbeitet. Oder man geht gemeinsam auf Entdeckungsreise, macht zusammen einen Workshop etc.
Es ist ein Trugschluss zu denken, dass man immer einen Wissensvorsprung braucht, um seine Kinder gut digital begleiten zu können.
Euer Buch richtet sich vor allem an Eltern und das digitale Familienleben. Medienerziehung und digitale Begleitung gehören selbstverständlich auch in die Schule. Was möchtet ihr Lehrer*innen noch mit auf den Weg geben und was würdet ihr euch im Hinblick auf digitale Begleitung in der Schule wünschen?
Leonie Lutz: Wir wünschen uns, dass Kinder und Jugendliche auch in der Schule bei der Nutzung ihrer privaten Geräte begleitet und ausgebildet werden. Dass sie z.B. auch hier über die Gefahren des Cybergroomings, Cybermobbings etc. aufgeklärt werden und lernen, wie man Fake News erkennt. Die Trennung zwischen privater und schulischer Nutzung digitaler Geräte ist hier noch viel zu scharf, und spätestens wenn es im WhatsApp-Klassenchat Ärger gibt, ist dieser auch im Klassenraum Thema. Wir hoffen, dass die Aufklärung über digitale Gefahren noch weiter in den Schulen ankommt und auch Elternarbeit hier noch eine größere Rolle einnimmt. Denn wie gesagt: Wir müssen alle Kinder erreichen, um alle zu schützen. Das können wir nur in der Schule.