Erfahre von Joscha Falck, wie Lehrkräfte ChatGPT und KI-Tools effektiv im Unterricht einsetzen können und warum es auch jetzt noch möglich ist, einfach mit Künstlicher Intelligenz anzufangen.
Joscha Falck: Ich habe mich im vergangenen Jahr sehr viel mit den Möglichkeiten von generativer KI in Schule und Unterricht beschäftigt und viele Fortbildungen darüber gehalten. Dabei sind verschiedene Materialien und auch schon einige Texte für meinen Blog und eine Mini-Veröffentlichung für den Persen Verlag entstanden. In der ersten Jahreshälfte 2023 entstand dann die Idee, Erfahrungen für ein Buch zu sammeln und zusammenzuschreiben.
Joscha Falck: Meine Einstellung war von Beginn an von Neugier und Aufgeschlossenheit geprägt. Ich bin grundsätzlich jemand, der Chancen und Potenziale im Blick hat – auch, wenn mir verschiedene Aspekte rund um Künstliche Intelligenz natürlich auch Sorgen bereiten. Die ersten Versuche waren davon geprägt, das „Wissen“ von ChatGPT zu prüfen und den Chatbot quasi als Suchmaschine zu verwenden. Ich erinnere mich aber auch, dass ich schnell ausprobiert habe, welche Materialien sich damit für die Unterrichtsvorbereitung erstellen lassen.
Joscha Falck: Ich nutze ChatGPT und Microsoft Copilot am häufigsten für die Unterrichtsvorbereitung, z. B., um Materialien und Übungen zu erstellen (Unterrichtseinstiege, Fallbeispiele, Quizfragen, Differenzierungsmaterial). Darüber hinaus lasse ich sehr regelmäßig Bilder zur Veranschaulichung oder zur Gestaltung von Präsentationen generieren.
Joscha Falck: Nicht täglich, aber regelmäßig. Ich nutze zum Beispiel häufig Fiete.ai, damit meine Schülerinnen und Schüler im Deutschunterricht individuelles Feedback auf ihre Textentwürfe erhalten. Zudem stelle ich aufgabenbezogen einen KI-Tutor mit Hilfe der fobizz-KI-Tools bereit. Die „KI für Texte“ können die Lernenden dann nutzen, um sich bei einer Aufgabe unterstützen zu lassen. Und im Rahmen des Informatik-Unterrichts haben wir uns ausführlich mit KI beschäftigt und zum Beispiel die Möglichkeiten von Teachable Machine erkundet.
Joscha Falck: Neben den Vorteilen der Materialerstellung halte ich diesen Bereich für sehr bedeutsam. Beim Einsatz von KI-Feedback sehen wir deutlich, dass Schülerinnen und Schüler durch den Einsatz bestimmter Tools besser lernen können und damit die Unterrichtsqualität steigt. Gleichzeitig werden wir Lehrkräfte effektiv entlastet, weil wir nicht mehr jede Rückmeldung selbst geben müssen. Das bereits genannte KI-Tool Fiete von Hendrik Haverkamp und Malte Hecht bietet hierzu eine perfekte Kombination aus individualisierten Rückmeldungen und Steuerungsmöglichkeiten für Lehrkräfte. Ich kann Aufgaben zuhause vorbereiten, mit Material anreichern und über die Eingabe von Feedbackkriterien klar bestimmen, worauf sich das Feedback der KI beziehen soll. Die Lernenden erhalten dann genau die Rückmeldung, die sie für den Aufbau bestimmter Kompetenzen brauchen. Darüber hinaus lohnt sich aber auch ein Blick auf das Aufsatz-KI-Tool PEER der TU München. Und dann ergeben sich mit Hilfe vorbereiteter Mega-Prompts zahlreiche Möglichkeiten, ChatGPT in ein individuelles Tutorsystem zu verwandeln, z. B. um Schülerinnen und Schüler dialogisch üben zu lassen oder um sie beim Schreiben zu unterstützen. Die entsprechenden Prompts können vorbereitet und zur Verfügung gestellt werden, das finde ich ebenfalls sehr spannend. Ich denke, dass wir zukünftig verstärkt Lernen in solchen individualisierten Settings organisieren werden, entweder in Form selbst vorbereiteter Umgebungen oder mit Hilfe adaptiver Lernsysteme, die die Potenziale von KI bei der Zuweisung von Aufgaben und bei Feedback ausspielen. Hier werden wir erleben, dass sich die Rolle von Lehrkräften durch die Verfügbarkeit von KI verschiebt und wir mehr und mehr vor der Aufgabe stehen, virtuelle Lernräume zu gestalten.
Joscha Falck: In erster Linie ist es wichtig, dass wir uns in der Institution Schule klar machen, dass sich aus der Verfügbarkeit von KI-Technologie ein Bildungsauftrag ableitet. Dieser Aufgabe müssen wir uns stellen, unabhängig davon, ob man ChatGPT zur Vorbereitung einsetzen möchte oder nicht. Mit den fünf Dimensionen wollte ich deutlich machen, dass wir den Blick über den bloßen Tool-Einsatz hinaus weiten müssen. Künstliche Intelligenz ist ja aufgrund technischer, politischer, gesellschaftlicher und ethischer Aspekte auch ein wichtiger Lerngegenstand. Gleichzeitig zieht KI mit den beschriebenen adaptiven Lernsystemen in die Schule ein. Und dann steht ja die Frage im Raum, warum junge Menschen und auch wir Erwachsenen noch bestimmte Inhalte lernen bzw. Kompetenzen erwerben müssen, wenn Maschinen das alles viel besser können als wir. Wir sind also auch zur Reflexion angehalten, sollten Lehrplaninhalte neu überdenken und uns vor allem überlegen, welche Bildung jetzt in einer KI-geprägten Welt bedeutsam ist. Dazu zählt z. B. eine erweiterte Medienerziehung oder der stärkere Fokus auf Lese- und Schreibkompetenzen. Gleichzeitig beobachten wir, wie mehr und mehr technische Systeme in Schulen einziehen. Lernen ohne KI meint, bewusst Kontrapunkte zu setzen, die das aktive Handeln in Beziehungen betonen. Je mehr schulische Bereiche von der Digitalisierung erfasst werden, desto aktiver müssen wir die anderen Bereiche hervorheben und gestalten.
Joscha Falck: In gewisser Weise ergibt sich hier aus der Not eine Gestaltungschance. Da Schülerinnen und Schüler Hausaufgaben in vielen Fällen schlicht von ChatGPT erledigen lassen können, sind wir angehalten, über neue Formate nachzudenken. Ich halte es deshalb für wichtig, KI-integrierende Aufgabenstellungen zu entwickeln und im Unterricht zu erproben. So lernen Schülerinnen und Schüler, KI-Tools sinnvoll einzusetzen. Gleichzeitig haben derartige Aufgaben auch aus fachdidaktischer Perspektive einen Wert. Im Dialog mit einem fiktiven Bertolt Brecht kann ich die Idee des epischen Theaters beispielsweise auf ganz neue Weise erkunden. Gleichzeitig bin ich aufgefordert, kritisch zu prüfen, ob alle ausgegebenen Informationen der KI richtig sind. Derartige pseudo-authentische Lernsituationen finde ich sehr spannend. Dies dann auf Prüfungsformate zu übertragen bzw. sogar über völlig neue Prüfungen nachzudenken (Projektaufgaben, kreative digitale Lernprodukte, Verteidigungsgespräche etc.), kann wirklich vieles auf den Kopf stellen. Hier sind wir alle gefordert, neue und unbekannte Wege zu gehen und die Erfahrungen zu teilen.
Joscha Falck: Aktiv werden und einfach anfangen! Es gibt eine Vielzahl an guten Materialien und direkt umsetzbaren Ideen im Netz, die für den Einstieg geeignet sind. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass Kolleginnen und Kollegen mit Neugier an die neuen Möglichkeiten herangehen und erst einmal für sich selbst ausprobieren. Anschließend macht es Sinn, Ansätze für die eigene Arbeit zu erproben, z. B. bei der Erstellung von Material. Für den Einsatz von KI im Unterricht mit den Schülerinnen und Schülern ist es dann sicher auch wichtig, sich im Kollegium abzustimmen und gemeinsam weiterzumachen.
Joscha Falck: Im Buch beschreibe ich die Ping-Pong-Metapher von Jöran Muuß-Merholz. Mit diesem Bild ist sehr anschaulich ausgedrückt, wie eine neue Form der Mensch-Maschine-Interaktion aussehen kann. Beim Schreiben habe ich die Möglichkeiten der co-creativen Arbeit mit ChatGPT natürlich auch genutzt, z. B. für Korrektur oder um einzelne Absätze auf Anschaulichkeit und Verständlichkeit gegenprüfen zu lassen. Darüber hinaus sind einige KI-generierte Bilder Teil des Buches. Vollständige Absätze oder Textbausteine habe ich jedoch nicht von der KI schreiben lassen. Dazu schreibe ich zu gerne selbst und brauche den Schreibprozess auch zum Denken. Außerdem war und ist es mir wichtig, meinen eigenen Stil zu bewahren. In diesem Sinne ist mein Buch nicht von einer KI, sondern in erster Linie ein Buch über KI, das den Leser*innen hoffentlich dabei hilft, die Potenziale dieser spannenden Technologie für sich zu entdecken und zu nutzen.
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