Kanban: Agile Methoden im Unterricht
Agile Methoden wie Kanban werden auch im Klassenzimmer immer beliebter. Was sich hinter dem Konzept „agile Didaktik“ verbirgt und warum sich das Kanban Board für Lehrkräfte und Schüler*innen besonders eignet, beantwortet die Lehrerin und Dozentin Uta Eichborn im Interview.
fobizz: Kanban und agile Methoden – das klingt ja ein bisschen nach asiatischem Kampfsport. Was steckt eigentlich hinter diesen Begriffen?
Uta Eichborn: Kanban zählt zu den agilen Methoden, deren Ziel es immer ist, die Arbeitsabläufe einfach viel flexibler zu machen.
Tatsächlich wurde Kanban in den 1940er Jahren im Automobilkonzern Toyota in Japan entwickelt, um den Fertigungsprozess zu verbessern. Daher kommt auch der Begriff: Kanban ist aus dem Japanischen und heißt übersetzt Signalkarte. Populär wurde Kanban erst viel später, als die Grundidee der Methode auf die Softwareentwicklung übertragen wurde. Heute wird das Kanban Board in fast allen Bereichen eingesetzt, in denen Aufgaben oder Projekte organisiert werden müssen.
Aktuell wird im Schulkontext auch oft von “Agiler Didaktik” geredet.
Genau, diese Flexibilität von Arbeitsabläufen findet sich auch immer mehr in der Didaktik wieder. In der agilen Didaktik steht nicht mehr der auf die Minute genau vorgeplante Unterrichtsverlauf im Vordergrund. Entscheidend ist, dass wir als Lehrkräfte wahrnehmen, was bei den Schüler*innen passiert und darauf reagieren. Der Lernende und seine Art und Weise der Bearbeitung stehen im Mittelpunkt. In agilen Methoden sind Fehler ausdrücklich erwünscht. Das kennen wir bisher in der Schule nicht. Ziel ist die ständige Verbesserung des Produktes und des Arbeitsprozesses.
„In agilen Methoden sind Fehler ausdrücklich erwünscht. Das kennen wir bisher in der Schule nicht.“
Was brauche ich für ein Kanban Board?
Für ein Kanban Board brauchst du nur eine freie Fläche, an der du dein Board anbringen kannst. Grundsätzlich ist ein Kanban Board in drei Spalten aufgeteilt, aus denen ersichtlich ist, welche Aufgaben zu erledigen sind, welche gerade in Bearbeitung sind und welche bereits fertig sind. Wenn du eine freie Fläche hast, an der du das Kanban Board angebracht werden soll, achte am besten darauf, dass das Board auch gut zugänglich ist. Ich mag es, wenn man vor dem Kanban Board ein wenig Platz hat, um sich im Team darüber auszutauschen, was noch zu tun ist und was bereits erledigt ist.
Gibt es Grundprinzipien, die ich beachten sollte?
Eines der Grundprinzipien von Kanban ist, dass du nie zu viele Aufgaben gleichzeitig bearbeiten solltest, sondern dich immer auf wenige Aufgaben konzentrierst. Das Kanban Board hilft dir dabei, dieses Prinzip einzuhalten.
Warum ist Kanban effektiver als zum Beispiel eine To-Do-Liste oder andere Methoden im Projektmanagement?
Kanban geht über die herkömmliche To-Do-Liste hinaus und bildet durch die drei Spalten auch den Prozess ab. Du kannst nicht nur sehen, was noch alles zu erledigen ist, sondern auch, welche Aufgaben gerade in Bearbeitung sind und welche bereits erledigt sind.
Inwiefern eignet sich das Kanban Board für Lehrkräfte und Schüler*innen?
Egal ob Lehrkraft oder Schüler*innen: Kanban eignet sich für jeden als Methode zur Selbstorganisation. Im Projektunterricht haben sowohl die Schüler*innen als auch die Lehrer*innen Vorteile. Da steht die Transparenz für alle Beteiligten an erster Stelle. Es ist nicht nur der aktuelle Arbeitsstand sondern auch der Arbeitsprozess für alle sichtbar. Diese Transparenz führt zur Übernahme von Verantwortung und macht Leistungen sichtbar. Gerade im Projektunterricht ist das sehr wertvoll. Gruppen- und Einzelleistungen werden sichtbar und sind für uns eine gute Grundlage zur Bewertung.
Uta Eichborn ist Lehrerin am Berufskolleg und Certified Scrum Master. Seit über 20 Jahren unterrichtet sie in Notebookklassen und kann sich nicht mehr vorstellen, ausschließlich analog zu unterrichten. Mit dem Ziel, die SchülerInnen auf eine durch die digitale Transformation geprägte Arbeits- und Lebenswelt vorzubereiten, hat sie agile Methoden wie Scrum und Kanban auf das Lernen in der Schule übertragen und stellt dabei Selbstorganisation, Verantwortung und Partizipation der SchülerInnen in den Mittelpunkt. Uta Eichborn hat Wirtschaftspädagogik studiert und unterrichtet in den Fächern Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre und Projektmanagement.
„Kanban eignet sich für jeden als Methode zur Selbstorganisation.“
Kannst du konkrete Beispiele aus Unterricht und Schule nennen, in denen du ein Kanban Board einsetzt?
Kanban bietet vielfältige Einsatzmöglichkeiten. In meiner Fortbildung geht es in erster Linie um den Einsatz im Projektunterricht. Wenn die Schülerinnen und Schüler an einer komplexen Aufgabenstellung arbeiten, für die sie sich im Team organisieren müssen, ist das Kanban Board gut geeignet. Wenn die Schüler beispielsweise einen Filmbeitrag zu einem Thema erstellen sollen, dann werden sie das wahrscheinlich arbeitsteilig organisieren. Diese Organisation können sie mit Hilfe des Kanban Boards deutlich verbessern. Mit einem digitalen Kanban Board gelingt das Projekt sogar im Distanzunterricht.
Außerdem eignet sich das Kanban Board aber auch hervorragend zur gemeinsamen Planung von Unterricht mit den Kollegen*innen. Da gibt es eigentlich keine Grenzen.
Man kann sich so ein Board analog mit Zetteln und Stiften selbst erstellen oder mithilfe von Online-Software arbeiten. Was ist da zu beachten und welche Variante präferierst du?
Auch wenn ich grundsätzlich sehr digital bin, mag ich die analoge Variante am liebsten. Allein oder im Team vor einem Board zu stehen, sich Gedanken zu machen oder sich im Team über anstehende Aufgaben auszutauschen, ist einfach ein sehr produktiver Prozess. Beim Umhängen der Post-Its merkt man einfach immer, dass man was geschafft hat und das finde ich sehr motivierend.
Grundsätzlich kann man sagen, dass die digitale Variante besser oder sogar ausschließlich nutzbar ist, wenn Menschen an verschiedenen Orten oder sogar über Zeitzonen hinweg miteinander arbeiten. Mit dem digitalen Kanban Board lassen sich Projekte so auch sehr gut im Distanzunterricht umsetzen. Die digitale Variante bietet natürlich immer interessante Features, die das analoge Board nicht kann, wie zum Beispiel das Anhängen einer Datei an eine zu erledigende Aufgabe, die Verbindung zu einem Link oder vieles mehr.
Online-Fortbildung:
Das Kanban Board: Selbstgesteuertes Lernen fördern
Mit einem Kanban Board kannst du deinen Unterricht analog und digital ganz einfach strukturieren. Die agile Methode ist auch für Projektarbeiten oder selbstgesteuertes Lernen deiner Schüler*innen hilfreich. Hier lernst du Grundlagen und Anwendungsmöglichkeiten kennen.