7 Tipps: Zusammenwachsen in der ersten Klasse
Eine Klasse, die sich bei der Einschulung das erste Mal begegnet, muss erst langsam zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen. Wie kann man die Anfangszeit gestalten? Und wie kann ein “Wir-Gefühl” entstehen? Grundschullehrerin und Bildungsinfluencerin Christina Bradtke gibt euch sieben Tipps in ihrem Gastbeitrag.
Ein „Wir-Gefühl“, entwickelt sich erst, nachdem die Kinder sich besser kennengelernt haben und wenn sie sich gegenseitig vertrauen können. Eine Klasse kann aber nur dann zusammenwachsen, wenn es Regeln gibt, die von den einzelnen Kindern beachtet werden und wenn ein gewisser Ordnungsrahmen vorliegt, der ihnen verdeutlicht, wie die Klasse konfliktfrei und produktiv leben, lernen, und arbeiten kann.
Tipp 1: Regeln geben Sicherheit
Bereits in den ersten Wochen wird sich deine Klasse immer wohler fühlen und auftauen. Deine Schüler*innen werden häufiger in Situationen geraten, die du in der Klasse thematisieren wirst. Aus diesen Situationen ergeben sich Handlungsempfehlungen, die du deinen Schüler*innen mit auf den Weg geben solltest. Mach deiner Klasse verständlich, dass ohne Regeln Chaos herrschen würde. Gib dafür ein paar Beispiele aus dem Alltag (Ampeln, bezahlen an der Kasse usw.).
Gemeinsam könnt ihr überlegen, welche Regeln am Anfang wichtig sind, damit das Miteinander funktionieren kann. Visualisiere die Regeln gut sichtbar im Klassenraum. Nimm wöchentlich eine „Regel der Woche“ in den Fokus und versuche gemeinsam mit deiner Klasse daran zu arbeiten. Hänge sie gut sichtbar an die Tafel und verweise zwischenzeitlich auf die Regel. Am Ende des Tages kannst du mit deiner Klasse reflektieren, wie das Einhalten der Regel funktioniert hat. Deine Schüler*innen lernen auf diese Weise immer besser sich selbst einzuschätzen und Feedback zu geben.
Buchtipp: „Wir essen keine Mitschüler“ von Ryan T. Higgins
Christina Bradtke ist leidenschaftliche Lehrerin an einer Grundschule in Hamburg. Freiberuflich erstellt sie als Autorin differenzierte Unterrichtsmaterialien, die sie auf die Bedürfnisse der Kinder zuschneidet und über die Online-Plattform „Eduki“ für Lehrerinnen und Lehrer zum Verkauf anbietet. Ganz nebenbei ermöglicht sie ihrer Instagram-Community einen realen Einblick in ihren Schulalltag, über den sie mit einer ordentlichen Prise Sarkasmus berichtet. In den sozialen Netzwerken ist Christina auch unter dem Autorennamen freulein_hygge bekannt.
Tipp 2: Vom “Ich” zum “Du” und dann zum “Wir”
Zu Beginn kommen die neuen Schüler*innen als kleine Individuen mit verschiedenen Bedürfnissen in die Klasse. Deine Schüler*innen müssen erst lernen ihre Bedürfnisse zurückzunehmen und sich auch mal zu gedulden und anderen den Vortritt zu lassen. Am Anfang entsteht genau hier die Unruhe in der Klasse, wenn alle gleichzeitig und offenkundig ihr Bedürfnis nach z.B. Gerechtigkeit, Kuscheleinheiten, unterstützende Hilfestellungen usw. äußern. Deine Schüler*innen werden häufig deinen Namen rufen oder dich im Klassenraum aufsuchen, indem sie ihre Plätze verlassen.
Versuche den Kindern zu verdeutlichen, dass du für sie da bist, dass du aber nicht allen gleichzeitig helfen kannst. An dieser Stelle kannst du die Methode des „Helfersystems“ einführen. Die Hilfe der Kinder untereinander hat hier Vorrang vor der Hilfe der Lehrkraft. Kinder, die auf Hilfe angewiesen sind, fragen zuerst zwei andere Kinder, bevor sie die Lehrkraft um Hilfe bitten. In einer Klasse gibt es immer Kinder, die dir gut zugehört haben und die Aufgabe direkt umsetzen können. Wer das ist, hast du schnell heraus. Bitte genau diese Kinder dich als Experten zu unterstützen. Auf diese Weise gibst du Verantwortung ab und förderst den Austausch unter den Schüler*innen.
Tipp 3: Wer höflich fragt, kann mehr erreichen
Mit einem höflichen und wertschätzenden Umgangston können deine Schüler*innen für´s Leben lernen. Am Anfang wird es häufig vorkommen, dass deine Schüler*innen vergessen sich für etwas zu bedanken. Manchmal vergessen sie auch höflich nach etwas zu fragen. Diese Etikette ist aber nicht allen Kindern in die Wiege gelegt und muss zunächst einmal gelernt werden.
Dass man mehr erreichen kann, wenn man höflich ist, kannst du wunderbar mit den Bilderbüchern “Herr Panda und das Bitte“ und „Herr Panda und das Danke“ thematisieren. Versuche selbst beim Austeilen der Arbeitsblätter ein kleines „Bitte“ hinterherzuschieben. Fordere im Umkehrschluss ein „Danke“ ein. Nimm das AB ansonsten wieder mit. Höflich ist es auch, wenn man Menschen beim Sprechen ansieht und das Gegenüber aussprechen lässt, ohne es zu unterbrechen. Lobe deine Schüler*innen, wenn sie sich geduldet haben, bevor sie dir ins Wort gefallen wären. Versuche deine Schüler*innen immer wieder daran zu erinnern und du wirst sehen, wie wertschätzend der Umgangston zwischen deinen Kindern wird.
Bilderbuchtipp: „Herr Panda und das Bitte“ und „Herr Panda und das Danke“ von ; „Das kleine Wir“ von Daniela Kunkel
“Damit Kinder besser einschätzen können, wie es ihrem Gegenüber geht, helfen kleine Spiele zur Körpersprache und Gefühlen”
Tipp 4: Sei Konsequent aber gerecht
Eine Klasse von 20 bis 30 Kindern zu erziehen, die gerade aus der Kita in die Schule kommen, ist eine wirklich herausfordernde Aufgabe. Die wichtigste Regel, die ich dir an dieser Stelle mit auf den Weg geben möchte ist: „Sei transparent, konsequent aber gerecht!“ Sage deinen neuen Schüler*innen, was dir wichtig ist. Was wünscht du dir von ihnen? Sei transparent, deine Schüler*innen müssen doch wissen, wie sie sich verhalten sollen.
Allerdings musst du ihnen auch sagen, was du tust du, wenn Kinder sich nicht an deine Regeln halten. Sprich über deine Konsequenzen und halte sie dann unbedingt auch ein. Wenn du dir wünscht, dass die Kinder nach dem Klangsignal zu dir schauen und alles dabei aus der Hand legen, dann nimm den Kindern, die sich nicht daran halten, die Störquelle vom Tisch. Wenn Kinder ständig unaufgefordert in die Klasse rufen, dann überlege dir genau, wie häufig du einzelne Kinder daran erinnern möchtest, bevor du eine Konsequenz aussprichst. Ob es ein Klassenspiel ist, an dem das Kind mal nicht teilnimmt, eine Pause, die das Kind nicht nach draußen geht oder ein Eintrag in den Schulplaner, um die Eltern über das Fehlverhalten zu informieren. Ändert sich das Verhalten des Schülers, sprich Lob aus und sei nicht nachtragend, sondern wertschätzend.
Tipp 5: Konflikte lösen will gelernt sein
Im Alltag kommt es leider häufig zu Konflikten. Diese können kleinerer Natur sein und sich manchmal nur um ein weggeworfenes Radiergummi handeln. Sie können sich aber auch zu größeren Streitigkeiten entwickeln, bei denen die Kinder neben Beleidigungen auch noch den vollen Körpereinsatz zeigen. Hier wünschst du dir mit Sicherheit eine schnelle Technik, mit der du einem Konflikt entgegenwirken kannst. Eine Patentlösung gibt es an dieser Stelle aber leider nicht.
Wichtig ist den Kindern, dass sie mit ihren Problemen ernst genommen werden und dass man sich ihren Problemen annimmt. Versuche beide Parteien nacheinander anzuhören. Frage nochmal nach, wenn du etwas nicht verstanden haben solltest. Binde die Kinder in den Lösungsprozess mit ein und frage sie, was sie tun können, damit sie zu einer Lösung kommen. Versuche den Streit zu klären und lass die Kinder nicht im Streit auseinandergehen. Das Problem wird sich in den seltensten Fällen von allein lösen. Du vertagst es einfach nur und es ploppt an einer anderen Stelle wieder auf. Manchmal hilft es den Kindern einen geschützten Raum für ihren Konflikt zu geben. Damit Kinder besser einschätzen können, wie es ihrem Gegenüber geht, helfen kleine Spiele zur Körpersprache und Gefühlen, die immer wieder zwischendurch gespielt werden können.
Bilderbuchtipp: „Die Streithörnchen“ von Rachel Bright; „Jim ist mies drauf“ von ; „Hör mir zu!“ von Thomas Kersten
Tipp 6: Eine gute Struktur verhindert das Chaos
Es gibt Tage, an denen die Schüler*innen einfach nicht zu beruhigen sind. Es herrscht eine Lautstärke, die sich nicht beherrschen lässt, es gibt Konflikte zwischen den Schüler*innen und man hat das Gefühl, dass die Klasse über „Tische und Bänke“ geht. Diese Art von Störung kann seine Ursache in der schlechten Unterrichtsplanung- oder durchführung der Lehrkraft haben. Fehlt den Kindern die gewohnte Unterrichtsstruktur, die Aktivierung im Unterrichtsgespräch, die Bewegungspausen während eines langen Vortrags, ein langweiliger und nicht wirklich kindgerechter Unterrichtsinhalt ohne klares Ziel, dann kann es schon mal für Unruhe sorgen.
Darüber hinaus reagieren deine Schüler*innen sehr sensibel und bemerken sofort, wenn man durch die Stunde hetzt, weil z.B. ein Pausenkonflikt wertvolle Unterrichtszeit gekostet hat. Wenn du dann auch noch versuchst in die Laustärke zu sprechen oder diese ignorierst, wird es eher lauter, als leiser. Mein Tipp an dieser Stelle: Warte, bis die Ruhe eingekehrt ist und bis du die volle Aufmerksamkeit von allen Schüler*innen besitzt, ohne dass sie sich mit anderen Gegenständen ablenken. Arbeite nonverbal und zeige den Schüler*innen, die dir zuhören, dass das Verhalten genau richtig ist.
Tipp 7: Lern mich kennen
Versuche die Kinder besonders am Anfang viel spielen zu lassen. Im Spiel lernen sich Kinder kennen. Biete den Kindern Pausenspiele an und zeige ihnen, was sie spielen können. Mach Ausflüge in die Natur oder das Theater. Auf diese Weise habt ihr gemeinsame Erlebnisse, die deine Klasse verbindet und über die ihr euch austauschen könnt!