2. Welche Folgen hat es, wenn LRS und Rechenschwäche nicht frühzeitig erkannt und unterstützt werden?
Susanne Seyfried: Bleiben Lernstörungen unentdeckt, erleben Kinder über Jahre Misserfolge und entwickeln oft ein negatives Selbstbild. Das kann zu Rückzug, Frust oder sogar Schulverweigerung führen – mit Folgen weit über das Lernen hinaus. Frühzeitige Unterstützung eröffnet dagegen neue Lernwege und stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten der Schüler.
3. Welche Rolle spielt Lerntherapie dabei, betroffene Schülerinnen und Schüler zu unterstützen?
Susanne Seyfried: Lerntherapie setzt individuell an, verbindet fachliche Förderung -also die Arbeit an den Basiskompetenzen des Lesens, Schreibens und Rechnens – mit emotionaler Stärkung und baut Schritt für Schritt Lernstrategien auf. Sie entlastet damit nicht nur die Schüler, sondern auch Eltern und Lehrkräfte. Lerntherapeuten wirken so wie ein Bindeglied zwischen Schule und Familie.
4. Warum ist es für die ganze Klasse / Schule wichtig, LRS und Rechenschwäche im Blick zu haben?
Susanne Seyfried: Ein offener Umgang mit Lernstörungen verbessert das Klassenklima und beugt Ausgrenzung vor. Wenn Unterschiede erklärt werden oder auch thematisiert wird, warum ein Schüler einen Nachteilsausgleich bekommt, entsteht mehr Verständnis, weniger Frust und ein unterstützendes Miteinander. So profitieren nicht nur die betroffenen Kinder, sondern die ganze Klassengemeinschaft davon.
5. Worauf sollten Lehrkräfte achten, um LRS und Rechenschwäche zu erkennen?
Lernstörungen wie LRS oder Rechenschwäche zeigen sich bei jedem Kind anders. Deshalb ist es wichtig, die Lernausgangslage und den individuellen Lernweg genau zu beobachten: Liest das Kind stockend? Werden Buchstaben vertauscht oder Endungen weggelassen? Wird beim Rechnen auffällig lange mit den Fingern gearbeitet oder werden Zehner und Einer verwechselt?
Entscheidend ist nicht ein einzelnes Merkmal, sondern das Zusammenspiel über einen längeren Zeitraum. Lehrkräfte stellen keine Diagnosen – aber sie können frühzeitig Anzeichen wahrnehmen und beobachten, ob gezielte Übung zu Fortschritten führt. Wenn das nicht der Fall ist, können innerschulische Anlaufstellen wie Beratungslehrkräfte oder Schulpsychologen unterstützen, um gemeinsam weitere Schritte zu planen. An einigen Schulen arbeiten auch Lerntherapeuten, die Lehrkräfte entlasten können. Je früher eine Unterstützung beginnt, desto größer sind die Chancen, schulische und emotionale Belastungen zu vermeiden.
Fazit: Gemeinsam Verantwortung übernehmen
LRS und Rechenschwäche sind keine Randthemen – sie betreffen jede Klasse und jede Schule. Der Aktionstag am 30. September erinnert uns daran, wie wichtig frühes Erkennen, Teamarbeit und passende Förderung sind. Wenn Schule, Elternhaus und außerschulische Fachkräfte an einem Strang ziehen, können Kinder trotz Lernstörung erfolgreich ihren Weg gehen.
Besonders wirksam ist diese Zusammenarbeit, wenn sie multiprofessionell gedacht wird – etwa durch den Einbezug von Lerntherapeuten in schulische Strukturen (z.B. über das Startchancenprogramm). Denn Lehrkräfte müssen nicht alles allein stemmen. Lerntherapie kann langfristig nicht nur betroffene Kinder unterstützen, sondern auch Lehrkräfte spürbar entlasten.
Das kannst du heute tun:
- Sprich das Thema heute im Kollegium an
- Teile diesen Artikel mit deinen Kollegium
- Stärke dein Wissen mit passenden fobizz-Fortbildungen – z. B. zur Förderung bei LRS oder bei Rechenschwierigkeiten
- Informiere dich über das Thema Nachteilsausgleich und wie eine multiprofessionelle Zusammenarbeit gelingen kann.
Denn manchmal beginnt Veränderung mit einer einfachen Frage:
„Was kann ich heute tun, damit kein Kind übersehen wird?“