„Hin und wieder bekomme ich den Spitznamen »Die Digital-Oma«“
Ihre erste E-Mail schrieb Ria Hinken Mitte der 80er Jahre, als viele noch nicht einmal wussten, was E-Mails eigentlich sind. Die Speakerin, Journalistin und ehemalige Geschäftsführerin eines IT-Unternehmens ist 68 Jahre alt und bewegt sich sicherer im Internet als manch “Digital Native”. Über eine Silver Surferin, die von Anfang an auf der Welle der Digitalisierung mitgeschwommen ist.
„Mir geht es darum, Digitalkompetenz zu vermitteln”
Wenn Ria Hinken Workshops zur Digitalisierung gibt, läuft das unter dem Motto “Keine Angst vor Mäusen”. Denn für sie ist klar: Der Umgang mit digitalen Medien sollte immer angstfrei sein. „Ich versuche, Digitalkompetenz spielerisch zu vermitteln. Damit ich Leuten die Angst nehmen kann.” Dafür hat sie auch schonmal Drop-Down-Menüs aus Pappe gebastelt, bevor sie die Teilnehmenden an echte Computer ließ. Oder sich Spiele ausgedacht, die sie an ihre Zielgruppe anpasst.
Mittlerweile steckt Technik überall drin, deshalb sei es heute schon einfacher zu erklären als noch vor 20 Jahren. „Ich versuche zu vermitteln, dass die Leute nichts falsch machen können, egal, was sie da tun. Der Rechner wird nicht explodieren, wenn sie die falsche Zahl drücken – im Zweifel ist vielleicht ein bisschen Text weg.”
Vor etwa fünf Jahren gründete Ria Hinken das Portal Alterskompetenz.info und hält Vorträge und Workshops zum generationenübergreifenden Lernen und zur Digitalisierung – zum Beispiel bei der re:publica. Unter dem Slogan #GenerationLochkartetrifftDigitalisierung will sie vor allem der älteren Generation 55+ den Umgang mit digitalen Medien beibringen.
„Es ist ein großer Irrtum, dass junge Leute zwingend medienkompetenter sind als ältere”
Was Ria Hinken manchmal überrascht: Im Publikum ihrer Vorträge und Workshops sitzen regelmäßig auch viele junge Menschen, weit unter 30 Jahren. Es sei eben ein großer Irrtum, dass junge Leute zwingend medienkompetenter seien als ältere. „Vieles, was ich Medienkompetenz nenne, ist etwas, das in den Schulen vermittelt werden muss. Das ist ja nicht von Haus aus vorhanden”, so Hinken. „Medienkompetenz bedeutet in erster Linie für mich, dass ich mich sicher im Netz bewegen kann.”
Das beinhaltet laut Hinken auch, dass man erkennt, wenn jemand betrügerische Absichten hat, dass man nicht alles unhinterfragt und unrecherchiert weiterverteilt – dass man Fake News erkennt. Und dass man weiß: Nicht alle Dienste, die kostenlos sind, kosten nichts – sondern man zahlt mit seinen Daten. „Man muss auch wissen, dass man aus der Digitalisierung nicht mehr herauskommt. Man muss ständig dazulernen. In ein paar Jahren gibt es nichts mehr, das nicht digitalisiert ist”, so Hinken.
„In ein paar Jahren gibt es nichts mehr, das nicht digitalisiert ist”
Auf Konferenzen und in Workshops begegnet die Digitalexpertin immer wieder Lehrkräften und Medienpädagog*innen. Hinken findet: „Auch in meinen Augen junge Lehrkräfte, die Mitte 40 bis Anfang 50 sind, haben noch Nachholbedarf und echte Probleme beim Thema Digitalisierung.” Das habe die Corona-Pandemie zu Tage befördert.
Den Einsatz digitaler Medien in der Schule hält Hinken für selbstverständlich. „Sonst haben die jungen Menschen keine Berufschancen!” Wichtig sei es, Schüler*innen eine sinnvolle Nutzung beizubringen. Hinken mahnt aber auch: „Den Jugendlichen sollten wir klarmachen, dass es auch außerhalb von digitalen Medien ein Leben gibt.” Das sei allerdings nichts, das man nur jungen Menschen zeigen müsse: “Den Älteren, die Blut geleckt haben, muss man manchmal auch vermitteln, dass nicht alles im Internet stattfindet.”
Ria Hinken ist Speakerin, Journalistin und Digitalisierungsaktivistin. Sie hat das Forum Alterskompetenz.info gegründet und gibt regelmäßig Workshops und Seminare zum Thema digitale Medien – vor allem an Senior*innen. Unter dem Slogan #GenerationLochkartetrifftDigitalisierung will sie die Digitalkompetenz älterer Menschen stärken.
„Ich nutze Snapchat oder Tiktok nicht, das ist mir zu nervig”
„Das Thema Digitalisierung hat mich immer interessiert, ich bin sehr technikaffin”, sagt Hinken. Trotzdem hat ihre Technik-Neugier auch Grenzen. Wenn man sie nach diesen fragt, erzählt sie amüsiert von ihrem nervenaufreibenden Wechsel zu einer Online-Bank oder Problemen mit der kontaktlosen Bezahlung. „Es gibt viele Bereiche, in denen die Dinge unnötig kompliziert sind. Manchmal sind die von den Anbietern nicht durchdacht.” Auch in sozialen Netzwerken muss sie nicht bei allem dabei sein. Hinken twittert unter dem Handle @alterskompetenz, sagt aber auch: „Ich nutze Snapchat oder Tiktok nicht, das ist mir zu nervig!”
Dafür kennt sie sich bestens aus mit Zoom, Teams, Skype und Facetime. Neuen Technologien und Programmen gegenüber bleibt die Rentnerin aufgeschlossen. Denn lebenslanges Lernen ist für die 68-Jährige eine Grundvoraussetzung für ein gelingendes Leben. Besonders freut Hinken sich, wenn sie den Kindern von Freunden Dinge im Internet zeigen kann, die diese noch nicht kennen. „Hin und wieder bekomme ich den Spitznamen »Die Digital-Oma«”, sagt Hinken und lächelt.
Älteren Menschen, vor allem Lehrkräften, die Berührungsängste vor der digitalen Welt haben, möchte Hinken ans Herz legen: „Es ist gut für euch, wenn ihr den Umgang mit digitalen Medien noch lernt. Auch wenn ihr schon aus der Schule, dem Beruf, heraus seid, habt ihr noch viele Chancen, Neues auszuprobieren.”
Online-Fortbildung:
Medienkompetenz – verstehen und fördern
Was ist unter Medienkompetenz zu verstehen und wie kannst du sie bei deinen Schüler*innen fördern? In dieser Online-Fortbildung lernst du neben den theoretischen Grundlagen Möglichkeiten und Materialien zur Medienkompetenzförderung im Unterricht kennen.