Digitaler Unterricht: Tipps und Tricks
Digitaler Unterricht ist wichtiger denn je – spielt aber nicht nur im Fernunterricht eine wichtige Rolle. Was digitaler Unterricht genau ist und ihn ausmacht, erklärt uns Lena Kesting. Außerdem teilt sie hilfreiche Tipps für den Start ins digitale Unterrichten. Lena ist Lehrerin und außerdem als Referentin und Autorin tätig und gibt ihr Wissen begeistert an andere weiter.
„Eine fachliche Ausrichtung hat wenig mit den Anforderungen der Zukunft zu tun.“
Besonders in Zeiten von Fernunterricht bekommt digitales Unterrichten eine immer wichtigere Bedeutung. Aber was bedeutet digitales Unterrichten eigentlich genau und was umfasst es?
Lena Kesting: Ich finde die Frage nicht ganz leicht zu beantworten, da hinter der Beschreibung “digitales Unterrichten” viel mehr steckt. In der öffentlichen Wahrnehmung wird Digitalisierung im Kontext Schule stark mit der Ausstattung von Schulen mit Hardware beschrieben. Viel interessanter und spannender ist es jedoch, wie sich das Unterrichten mit diesen Möglichkeiten verändern kann und was möglich wird. Daher bevorzuge ich den Begriff der zeitgemäßen Bildung, da Digitalisierung meiner Meinung nach eine Querschnittsaufgabe der Schulentwicklung ist und nicht einzelnd betrachtet werden kann.
Viele Lehrerinnen und Lehrer machen sich weltweit seit Jahren auf den Weg, Möglichkeiten der Digitalität in Bezug auf Unterricht zu erproben. Mit Beginn der Pandemie standen alle plötzlich vor der Herausforderung, unbekannte Formen des Unterrichts zu finden (Distanz-, Hybrid-, Präsenz- oder Wechselunterricht). Für mich umfasst das digitale Unterrichten nicht nur einen Ersatz, z.B. Buch durch eBooks, sondern die Neubelegung von Unterricht durch diese Möglichkeiten, z.B. durch orts- und zeitunabhängige Konzepte oder den verantwortungsvollen Umgang mit diesen Möglichkeiten.
In deiner Online-Fortbildung „10 Tipps zum Start für das digitale Unterrichten“ sprichst du auch das Mindset von Lehrer*innen an. Was meinst du damit genau und welche Haltung sollten Lehrkräfte deiner Meinung nach im Berufsalltag integrieren?
Ich bin der Meinung, dass das Unterrichten im 45-Minuten-Rhythmus von Fach zu Fach nicht mehr zeitgemäß ist. Ich würde es gerne mit den Ideen der VUCA-Welt etwas anschaulich machen. Es handelt sich um ein englisches Akronym.
Dinge, die heut noch aktuell und gültig sind, sind es morgen plötzlich nicht mehr (Volatilität). Erfahrungen aus der Vergangenheit, die zur Gestaltung der Zukunft nützlich sind, verlieren an Relevanz und Bedeutung (Unsicherheit). Die Welt wird zunehmend komplexer und Ursachen sind vielschichtiger und schwerer zu verstehen. Es gibt nicht mehr nur einen Lösungsweg (Komplexität). Quellen von Fakten müssen zunehmend hinterfragt werden, Abwägungen und Entscheidungen setzen den Mut zu Fehlern voraus (Mehrdeutigkeit).
Auf diese Welt können wir die Heranwachsenden nicht nur mit Fachkompetenzen begegnen. Kreativität, Kollaborativität, kritisches und komplexes Denken und Kommunikation sind die Schlüsselkompetenzen, die Schülerinnen und Schüler heute für ein Morgen brauchen. Faktenwissen tritt in den Hintergrund; künstliche Intelligenzen werden hier viel effektiver sein. Wir brauchen eine Gesellschaft, die mit dieser Technologie verantwortungsvoll umgehen kann und sich den Herausforderungen unserer Welt stellt, in friedlicher und nachhaltiger Zusammenarbeit.
Meiner Meinung nach identifizieren sich Lehrerinnen und Lehrer in ihrem beruflichen Alltag sehr mit den studierten Fächern. Das oben beschriebene Mindset jedoch hat einen Einfluss auf die Art des Unterrichtens und mögliche Inhalte, die zunehmend fächerübergreifend, offener und selbstgesteuert stattfinden. Eine fachliche Ausrichtung hat wenig mit den Anforderungen der Zukunft zu tun.
Wie können kollaborative und kooperative Unterrichtsformen im digitalen Unterricht umgesetzt werden? Hast du Tipps für den Hybrid- und Distanzunterricht?
Kollaborative und kooperative Unterrichtsformen sind wie gemacht für das digitale Unterrichten in Hybrid- oder Distanzform. Durch kollaborative Tools können kooperative Unterrichtsformen im Hybrid- und Distanzunterricht nutzbar gemacht werden. Ob die geteilte Zusammenarbeit in einem Dokument oder einer Präsentation, der zeitgleiche Zugriff auf ein Whiteboard oder ein Quiz, Partner- oder Gruppenarbeit sind zeit- und ortsunabhängig möglich. Es gibt hierzu zahlreiche kommerzielle oder Open-Source-Produkte. Ich stelle in meiner Fortbildung u.a. Padlet vor, eine digitale Pinnwand, welcher nach Registrierung durch die Lehrkraft von den Schülerinnen und Schülern durch eine Freigabe genutzt werden kann. Padlet eignet sich für den Distanzunterricht z.B. zum Bereitstellen von Materialien oder zur Abgabe von Produkten durch die Schülerinnen und Schüler. Um Partner- oder Gruppenarbeit im Hybridunterricht zu ermöglichen, kann auch auf ein ZUMPad zurückgegriffen werden. ZUMPad ist ein Dokument, das über die generierte URL Zugriff ermöglicht und ohne Anmeldung und Endgerät unabhängig genutzt werden kann. Dies ermöglicht z.B. während einer Videokonferenz Brainstorming oder Festhalten von Arbeitsergebnissen und kann anschließend über die URL der Lehrkraft zur Verfügung gestellt werden.
Lena Kesting versteht sich als Teil eines multiprofessionellen Teams, das Heranwachsenden bei der eigenen Persönlichkeitsfindung unterstützt und auf die Herausforderungen von Morgen vorbereitet. Ihrer Meinung nach gelingt dies durch offene und übergreifende Formate, die Eigenständigkeit, Teamfähigkeit und kritisches Denken fördern. Wenn Schule nicht zeitgemäß aufgestellt ist, wo werden die Heranwachsenden dann resilient auf das Leben vorbereitet? Das setzt eine agile Kultur auf Ebene der Schulentwicklung voraus, die Raum für diese Haltung ermöglicht und Scheitern als Prozess sieht. Als Lehrerin, Referentin und Autorin gibt sie ihr Wissen begeistert an andere weiter.
„Meine Schüler*innen erinnern sich gegenseitig an die Einhaltung der Netiquette.“
In deiner Fortbildung sprichst du unter anderem über das Thema Netiquette bei Videokonferenzen. Was ist das und warum ist diese so wichtig?
Das Wort Netiquette setzt sich aus den Worten “net” (engl. “Netz”) und “etiquette” (franz. “Verhaltensregeln”) zusammen. Es geht grob gesagt darum, eine gemeinsame Vereinbarung für eine Videokonferenz zu treffen, beispielsweise mit der eigenen Klasse.
Ich kann die Anzahl der Videokonferenzen, an denen ich in den vergangenen Monaten teilgenommen habe, nicht mehr zählen. Dabei konnte ich eine Menge Erfahrungen sammeln bezogen auf die Technik und der effektiven Zusammenarbeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das brachte mich auf die Idee, eine Einheit zum Thema Netiquette bei Videokonferenzen zu entwickeln, da dies wichtig ist für eine erfolgreiche Videokonferenz. Bei der hohen Anzahl an Videokonferenzen derzeit schafft es einen Rahmen, Störungen und Schwierigkeiten sichtbar zu machen und zu lösen. Ist diese Vereinbarung partizipativ entwickelt, stößt sie auf breite Zustimmung. Meine Schülerinnen und Schüler erinnern sich gegenseitig an die Einhaltung der Netiquette.
Welche 4 Tipps kannst du Lehrkräften mitgeben, die sich erstmalig an „digitales Unterrichten“ heranwagen. Wie fängt man an?
Du musst weder ein Digital Native noch mit einem MITS Altair 8800 wissend aufgewachsen sein, um dich an das Thema zu wagen. Fang einfach an.
- Nutze Möglichkeiten der Digitalität: Halte in deinem Alltag bewusst Ausschau nach Möglichkeiten, die die Digitalität bietet und probiere sie aus, z.B. durch Scannen eines QR-Codes oder Zahlung mit dem Smartphone.
- Ersetze erste analoge durch digitale Möglichkeiten: Versuche bei dir selbst zu beginnen, indem du Routinen aus deinem Alltag digitalisiert, z.B. deinen Kalender oder To-Do-Listen.
- Sprich mit Anderen darüber: Komm mit Freund*innen, Familienmitgliedern, Kolleg*innen oder Bekannten ins Gespräch. Der Austausch stärkt dein Bestreben anzufangen. Über das “darüber reden” vernetzt du dich mit Anderen, gewinnst Selbstvertrauen und probierst erste Ideen und Möglichkeiten in deinem Unterricht aus.
- Besuche meine Fortbildung :) Hier erhältst du nützliche Ideen und Tipps für den Start.
Online-Fortbildung:
10 Tipps für den Start ins digitale Unterrichten
In dieser Online-Fortbildung lernst du Ideen und digitale Tools für den Start ins digitale Unterrichten kennen. Du lernst, worauf es beim Unterrichten mit digitalen Tools ankommt und welche Tools sich für den Start am besten eigenen.