Du hast „Sechs Leitwerte für digitalen Fern- und Hybridunterricht“ entwickelt. Was für Aspekte waren dir dabei besonders wichtig? Und warum?
Genau diese Frage hatte ich mir auch gestellt. Corona hat die Digitalisierung im Bildungsbereich enorm nach vorne gebracht. Zu jedem Lernen musste notwendigerweise digitales Lernen ergänzt werden. Ich hab mich also gefragt, ob die Anzeichen zeitgemäßen Unterrichts auch auf den Fern- und Hybridunterricht angewendet werden können und welche Aspekte dabei absolut notwendig sind. Herausgekommen sind diese sechs: Starke Beziehungen, Klarheit und das Prinzip „keep it simple“, Kollaboration, Feedback, Formative Assessment und agile Didaktik.
Durch die fehlende physische Nähe zu den Schüler*innen, ist es wichtig, ein Gefühl von Nähe aufzubauen. Wie können wir die fehlende Präsenz stärken und daraus folgende Beziehung zu den Schüler*innen aufbauen? Ich habe noch keine abschließende Antwort, da wir uns in einem Prozess befinden. Ich würde jedem raten, sich möglichst viel durch Audioaufnahmen oder besser noch durch Videoaufnahmen den Schüler*innen zu zeigen, um für sie präsent zu werden. Das können Audio und Video-Feedbacks sein, persönliche Botschaften oder kleine Anleitungen, Erklärungen oder Ähnliches. Nicht jeder muss Youtube-Star oder Tiktok-Profi werden, aber zumindest diesen Formaten nun aufgeschlossener gegenüber stehen.
Gibt es bei den Leitwerten eine Rangordnung für dich?
Das Thema starke Beziehungen steht nicht ganz unabsichtlich an Platz 1. Das ist mir sehr wichtig. Klarheit und Einfachheit ergeben sich schon aus der Situation, dass Schüler*innen nicht unmittelbar nachfragen können, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Daher muss in digitalen Lernumgebungen darauf geachtet werden, dass alles möglichst niedrigschwellig und eindeutig formuliert ist.
Das digitale Lernen könnte man als Abarbeiten von Lernaufgaben verstehen. Das hieße, jeder sitzt alleine vor seinen Aufgaben und arbeitet sie durch. Diese Form sollte vermieden werden! Lehrkräfte müssen nun verstärkt Feedback geben und das zieht enorm viel Arbeit mit sich. Darum sind kollaborative Arbeitsformen nach wie vor angebracht und digital ganz einfach möglich. Asynchrones Arbeiten in Clouddiensten (bei uns z. B. das LMS itslearning) oder synchrones Arbeiten per Etherpad, Videokonferenzen und in der Schule ist möglich.