Zwei Vorträge. Zwei völlig verschiedene Herangehensweisen. Aber nur einer davon ist es wirklich wert, gehört zu werden.
Es ist Dienstagvormittag, Doppelstunde Naturwissenschaften in einer Kölner Gesamtschule. Die Schüler:innen hatten eine Woche Zeit, um sich mit ihrem Thema auseinanderzusetzen – mit Schulbüchern, Fachtexten und einem KI-Chatbot als Lernbuddy an ihrer Seite. Nun entscheidet der Zufallsgenerator, wer vortragen darf.
Während die Schüler:innen sich auf ihre Präsentationen vorbereiten, frage ich mich, wie sie sich wohl mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Haben sie die Woche genutzt, um wirklich zu verstehen – oder haben sie die KI nur genutzt, um eine coole Präsentation zu erstellen? Zum ersten Mal wurde ein Vortrag explizit mit KI-Unterstützung vorbereitet. Alle sind gespannt.
Was folgt, zeigt mehr über die Zukunft des Lernens, als es zunächst scheint.
🎤 Ein Vortrag zeigt echtes Verständnis. Die Schülerin spricht frei, erklärt anschaulich, verknüpft Informationen logisch miteinander und kann Rückfragen souverän beantworten.
📊 Ein anderer Vortrag glänzt mit perfekten Folien – aber wenig Inhalt. Die Sätze klingen wie aus dem Schulbuch kopiert, die Erklärungen bleiben an der Oberfläche. Es wird klar: Hier hat KI (oder Copy-Paste) die meiste Arbeit übernommen.
Nach den Vorträgen nehmen wir den Erwartungshorizont zur Hand. Was wurde hier eigentlich geleistet – nicht nur schulisch, sondern grundsätzlich? Schnell merken alle: Ein Vortrag ohne Substanz ist nicht nur langweilig, sondern sogar reine Zeitverschwendung. Was wir wirklich wollen, sind Präsentationen, bei denen wir am Ende sagen: 🔹 Cool! Das war es wert, zuzuhören!
Aber was genau hat den Unterschied gemacht? Warum war der eine Vortrag überzeugend, der andere aber nicht? Wir reflektieren gemeinsam in der Klasse, wie sich die Schüler:innen vorbereitet haben – und schnell wird klar: Die Art der Auseinandersetzung mit dem Thema und die Art der KI-Nutzung macht den Unterschied.
Die Herausforderung: Wissen ist nicht mehr knapp – Denken schon
In der anschließenden Diskussion reflektieren wir, wie sich die Vortragenden vorbereitet haben. Während die eine Person die KI mit einem knappen Prompt instruiert hat – eine generische Anweisung, die eine ebenso generische Antwort hervorbrachte –, ist die andere Person mit der KIin einen Dialog getreten. Sie hat Antworten hinterfragt, sich Feedback eingeholt und ihre Ideen
überarbeitet.
Hier wurde deutlich: Die Qualität des Outputs ist immer nur so gut wie die Qualität der Fragen, die gestellt werden. Der Unterschied wird besonders deutlich, als wir konkrete Fragen vergleichen:
Während ‚Erstelle eine Präsentation über Radioaktivität‘ nur zu oberflächlichem Output führt, zeigt eine Frage wie ‚Kannst du mir erklären, warum Alphastrahlung gefährlich ist, wenn sie nicht mal durch ein Blatt Papier kommt?‘ echtes Nachdenken und den Wunsch, Zusammenhänge zu verstehen. Wer also eine KI einfach nur nach einer fertigen Präsentation fragt, erhält eine
Standardlösung ohne Tiefe. Wer aber die KI als Lernbegleiter nutzt, kann eigene Denkprozesse vertiefen.
Gleichzeitig offenbart sich ein weiteres Problem: Es reicht nicht, Wissen lesend zu konsumieren. KI-generierte Antworten wirken oft überzeugend. Wer Inhalte einfach übernimmt, kann leicht den Eindruck bekommen, das Thema zu beherrschen – ohne es tatsächlich durchdrungen zu haben. Echtes Verstehen entsteht erst, wenn Antworten hinterfragt, geprüft und mit eigenem Vorwissen verknüpft werden.
Genau hier zeigt sich die entscheidende Frage: Warum sollten andere mir zuhören? Was macht meinen Vortrag relevant? Die animierte Präsentation ist es jedenfalls nicht mehr. Diese Werkzeuge haben längst an Exklusivität und Wert verloren, weil sie von Maschinen in Sekunden erzeugt werden können. Was bleibt, ist die inhaltliche Tiefe, das persönliche Verständnis und die Fähigkeit, durch kluge Fragen echten Mehrwert zu schaffen.
✅ Wer keine guten Fragen stellt, bekommt nur mittelmäßige Antworten.
✅ Wer keine Neugier entwickelt, wird von generischem Wissen überflutet.
✅ Wer nur konsumiert, anstatt zu hinterfragen, kann keine echten Zusammenhänge erkennen.
Das bedeutet: Die eigentliche Kompetenz ist nicht mehr die Reproduktion von Wissen, sondern die Fähigkeit, relevante Fragen zu stellen.