Die fobizz Kolumne „Das digitale Lehrerzimmer“
In unserer Lehrer*innen Kolumne „Das digitale Lehrerzimmer“ fragt sich Lehrerin Rieke Strehl, wie digitale Bildung funktionieren soll, wenn sie noch nicht einmal in der Lehrkräfte-Ausbildung stattfindet. Sie wünscht sich Mut und Veränderung.
Die fobizz Kolumne „Das digitale Lehrerzimmer“: Einmal im Monat möchten wir Lehrer*innen hier zu Wort kommen lassen, um sich zu einem speziellen Thema zu äußern. Denn in der Diskussion um gute Bildung wird in Deutschland leider viel zu oft über Lehrerinnen und Lehrer geredet anstatt mit ihnen. Wir freuen uns im Rahmen unserer neuen Kolumne auf spannende und inspirierende Perspektiven sowie Einblicke und Meinungen von Lehrkräften rund um das Thema digitale Bildung! Die spezifischen Themen sind von den Lehrkräften frei gewählt und breit gefächert – von Berichten zu Unterrichtsmethoden, digitalen Tools und dem Lehrer*innenalltag bis hin zu ihren eigenen Meinungen zu verschiedenen Themen.
Wie sollen Lehrkräfte ohne digitale Bildung digital wertvollen Unterricht machen?
Eins ist klar: Um überhaupt ansatzweise digitales Lernen als festen Bestandteil in den Unterricht zu integrieren, müssen die technischen Voraussetzungen gegeben sein: funktionierendes W-LAN und technische Endgeräte für alle Schüler*innen und Lehrer*innen. Aber wie geht es dann weiter? Es braucht auch eine gewisse digitale Kompetenz seitens der Lehrkräfte. Ansonsten ist die Nutzung der Geräte wenig nachhaltig.
Wer schreibt heute?
Rieke Strehl ist seit 2015 als Lehrerin für die Fächer Mathematik und Chemie an den Gewerblich-technischen Schulen der Stadt Offenbach tätig. Für ihren Unterricht greift sie gerne auf selbstgedrehte Erklärvideos, die sie auf YouTube oder TikTok veröffentlicht, zurück. Außerdem nutzt sie gerne Sketchnotes und digitale Dominos sowie die Methoden „flipped classroom“ und „Partner- bzw. Gruppenpuzzle“. Wichtig ist ihr dabei, die Begegnung mit den Schülerinnen und Schüler auf Augenhöhe, um diese bestmöglich in die „neue Welt“ zu entlassen.
“Ich will mich nicht blamieren”
Viele Tablets, die mit Hilfe des DigitalPakts angeschafft wurden, werden auf Grund von fehlender digitaler Kompetenz überhaupt nicht zum Einsatz kommen. Aus Angst, sich vor der Klasse mit fehlendem digitalen Wissen, zu blamieren.
Einige Tablets werden originalverpackt im Schrank liegen und erst nach Aufforderung für ein Software-Update oder ähnlichem herausgeholt. Aber nicht für die eigentliche Verwendung: Dem sinnvollen Einsatz im Unterricht. So kann die digitale Kompetenz auf Schüler*innen und Lehrer*innenseite natürlich nicht wachsen und die Leidtragende werden die Schüler*innen sein. Eine angepasste Ausbildung von Lehrkräften, in der auch diese Kompetenz entwickelt bzw. gefördert wird, wäre daher wünschenswert und könnte diesem Sachverhalt entgegenwirken.
Wie kommt man gemeinsam zu mehr digitaler Kompetenz im Klassenzimmer?
Eine kleine Zeitreise zurück in meine Vergangenheit zeigt, wie mein persönlicher digitaler Weg aussah.
Meine Schulzeit
„Champagnerluft und Tradition“ – das war das Motto der Stadt, in der ich damals das Gymnasium besuchte. Die Ausstattung der Schule war während meiner Schullaufbahn sehr fortschrittlich. Es gab einige Computerräume mit ausreichend Arbeitsplätzen und einer technischen Ausstattung, die auf dem aktuellsten Stand war. Ein Privileg für meine Mitschülerinnen und -schüler und mich. Und die Voraussetzung für mein Interesse am digitalen Arbeiten.
Prägende Persönlichkeiten
In der Oberstufe fanden viele Stunden im Mathematikunterricht in den Computerräumen statt. Die Unterrichtsinhalte wurden sinnvoll mit Software verknüpft und der Fokus lag dabei immer wieder auf selbstorganisiertem Lernen. Unser mathematisches und digitales Wissen wurde nicht mit Stift und Papier, sondern digital abgefragt. Mein Mathelehrer war deshalb die Lehrkraft in meiner Schullaufbahn, die mich wirklich digital geprägt hat. Er war als Lehrer aber auch der einzige.
Weitere prägende Persönlichkeiten auf meinem digitalen Weg sind meine Eltern. Mein Vater arbeitete in der IT-Branche und meine Mutter war ebenfalls Lehrerin. Sie hat erst ein Jahr vor ihrer Pensionierung damit angefangen, ihren Unterricht digital zu gestalten. Die Nutzung von digitalen Medien ist also keine Frage des Alters.
„Rückblickend kann ich sagen, dass ich eine einzige Vorlesung besucht habe, in der digitale Inhalte in Bezug auf Schule bzw. Unterricht behandelt wurden. In meinen Augen viel zu wenig.“
Mein Lehramtsstudium
Nachdem ich 2005 das Abitur in der Tasche hatte, habe ich direkt danach mit meinem Lehramtsstudium für die Fächer Mathematik und Chemie begonnen. Rückblickend kann ich sagen, dass ich eine einzige Vorlesung besucht habe, in der digitale Inhalte in Bezug auf Schule bzw. Unterricht behandelt wurden. In meinen Augen viel zu wenig.
Bedeutet im Umkehrschluss: Mein gesamtes digitales Wissen habe ich mir durch Eigeninitiative angeeignet und mich an meine Vorbilder, meinen Mathelehrer und meine Eltern, erinnert.
Digital weitergebracht hat mich aber auch mein Job in einer Unternehmensberatung, in der ich während meines Studiums gearbeitet habe. Dort war der Umgang mit den bekannten Microsoft Office Produkten oder einer Customer-Relationship-Management Software selbstverständlich.
Digitale Kompetenzen fördern – auch bei Lehrkräften!
Mir ist bewusst, dass es Schüler*innen gibt, die im Bereich Technik und Informatik mehr wissen als ich. Ich lerne gerne von ihnen. Vielleicht ist daher meine Angst, mich vor einer Klasse zu blamieren, auch relativ gering. In letzter Zeit ist mir vermehrt aufgefallen, dass es vor allem in den USA zahlreiche „resource academies“ gibt, die ausschließlich das Erstellen von (digitalen) Unterrichtsmaterialien sehr ausführlich in mehrwöchigen Kursen thematisieren und das erlernte Wissen direkt angewendet wird. Bisher habe ich so etwas Vergleichbares in Deutschland nicht gesehen. Wäre das aber nicht ein Anfang? (Ausgebildeten) Lehrkräften, die Angst zu nehmen, digitale Unterrichtsmaterialien für das eigene Fach zu erstellen und den sicheren Umgang mit verschiedenen Office Programmen zu erlernen. Akademie für Lehrer*innen?
Wunsch nach einer angepassten Lehrkräfte-Ausbildung
Wenn man gemeinsam zu mehr digitaler Kompetenz im Klassenzimmer kommen will, sollten wir Lehrkräfte die Scheu ablegen, uns vor unseren Schüler*innen zu blamieren und den Mut aufbringen, Neues auszuprobieren.
Daher brauchen Lehrer*innen, um sich im digitalen Raum sicherer zu fühlen, gute und zielführende Aus- und Fortbildungsangebote. Von der erworbenen digitalen Kompetenz, die sich stetig weiter entwickeln sollte, profitieren vor allem die Schüler*innen. Denn sie sind diejenigen, die wir Lehrkräfte auf die Welt von morgen bestmöglich vorbereiten sollten. Die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen erweist sich zudem als echter Vorteil, denn auch wir können von ihnen lernen. Wir haben durch sie stets ein Ohr am „digitalen Puls der Zeit“. Hören wir also hin!
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