Die fobizz Kolumne „Das digitale Lehrerzimmer“
Im Rahmen des Digitalpakts haben sehr viele Schulen sehr viel Hardware angeschafft – Desktoprechner, Tablets, Laptops etc. Die Anschaffung der Geräte ist logischerweise essentiell für deren Nutzung, aber sie ist nur der erste Schritt. Beinahe genauso wichtig ist die Schulung der Kolleg*innen. In unserer Lehrer*innen Kolumne „Das digitale Lehrerzimmer“ hat Multimediaberater Sebastian Eisele seine Erfahrungen zum Thema zusammengefasst.
Die fobizz Kolumne „Das digitale Lehrerzimmer“: Einmal im Monat möchten wir Lehrer*innen hier zu Wort kommen lassen, um sich zu einem speziellen Thema zu äußern. Denn in der Diskussion um gute Bildung wird in Deutschland leider viel zu oft über Lehrerinnen und Lehrer geredet anstatt mit ihnen. Wir freuen uns im Rahmen unserer neuen Kolumne auf spannende und inspirierende Perspektiven sowie Einblicke und Meinungen von Lehrkräften rund um das Thema digitale Bildung! Die spezifischen Themen sind von den Lehrkräften frei gewählt und breit gefächert – von Berichten zu Unterrichtsmethoden, digitalen Tools und dem Lehrer*innenalltag bis hin zu ihren eigenen Meinungen zu verschiedenen Themen.
Vorüberlegung: Warum will sich ein*e Medienberater*in abschaffen?
Als Multimediaberater (MMB, zuständig für Digitalfortbildungen) eines mittelgroßen Gymnasiums ist es mittlerweile mein Ziel, mich abzuschaffen. Oder zumindest dafür zu sorgen, dass meine Arbeit immer mehr in Richtung Organisation von Fortbildungen und Beratung bei Fortbildungen geht und weniger um die Durchführung. Das hat folgende Gründe:
- Spezialisierung: Egal wie gut ich mich auskenne, das Feld Digitalisierung ist so breit, dass ich alleine zwar einige Bereiche abdecken kann, aber schon im fächerübergreifenden Bereich ist es praktisch unmöglich sich überall (Moodle, Tablets, Hypertextgeschichten, kollaborative Anwendungen, Videoschnitt usw.) gut auszukennen. Und spätestens bei fachspezifischen Anwendungen außerhalb der eigenen Fächer ist dann oft nur noch theoretisch-abstrakter Support oder gar Input möglich.
- Zeitaufwand: Wenn ich fortbilde, bilde ich fort. Mein Zeitbudget ist begrenzt, die Entlastungsstunden für den eigentlichen Bedarf an Fortbildungen sind – vorsichtig formuliert – nicht ausreichend.
Wer schreibt heute?
Sebastian Eisele ist Multimedia- und Netzwerkberater am Otto-Hahn-Gymnasium mit Realschulzug in Furtwangen, außerdem medienpädagogischer Berater am Kreismedienzentrum Schwarzwald-Baar und Medienausbilder am Seminar (Gym) Rottweil. Er beschäftigt sich viel mit AR/VR, hat einen Blogartikel zum kreativen Programmieren veröffentlicht sowie einen Artikel als Co-Autor (Caught in a dream) in der on.
Fortbildungsformate: Was gibt es da eigentlich?
Im Folgenden möchte ich kurz einige Fortbildungsformate aufzeigen, die an meiner Schule ausprobiert wurden und diese anschließend bewerten.
Zentrale Fortbildungen
Die Themen werden zentral von dem*der MMB ausgewählt und dem Kollegium mitgeteilt, das kann analog als Aushang und/oder digital geschehen, bspw. per Email. Die Fortbildungen finden im Kooperationszeitraum statt, der für alle Kolleg*innen unterrichtsfrei und für Konferenzen u.ä. reserviert ist.
Blitzlicht
Bei einer Gesamtlehrerkonferenz (GLK) ist ein Punkt auf der Tagesordnung die Vorstellung eines Tools, einer Methode o.ä. Grundsätzlich ist das ganze Kollegium da und passt auf, während der*die MMB selbiges präsentiert.
Freitags-Support
Zu Beginn des Fernunterrichts habe ich einen wöchentlichen Support angeboten. Das hatte zwei große Vorteile: Kolleg*innen hatten einen festen Zeitpunkt für ihre Probleme und als MMB kamen nicht ständig Emails, sodass mein Support wesentlich konzentrierter ausfiel. Nach einigen Wochen kam ich auf die Idee, zu Beginn jeweils eine Mikrofortbildung einzubauen, die 15 Minuten vor dem Support begann. Viele Kolleg*innen, die eine Frage hatten, mussten dann einfach nur ein bisschen früher da sein und konnten noch etwas Neues lernen.
Online Angebot
Lernmanagementsystem-Kurse (LMS; bei uns: Moodle) werden für Kolleg*innen geöffnet, sodass man niederschwellig “einfach mal reinschauen” und sehen kann, was andere Kolleg*innen so machen. Hier gibt es keine zeitliche Einschränkung, man braucht lediglich Kolleg*innen, die ihre Kurse öffnen. Eine Anleitung dafür muss zur Verfügung gestellt werden.
Bewertung: Was hat funktioniert?
Jedes dieser Formate hat seine eigenen Vor- & Nachteile und pauschale Aussagen sind immer schwierig. Meine persönlichen Erfahrungen möchte ich dennoch teilen.
Bei zentralen Fortbildungen, Blitzlichtern und Mikrofortbildungen scheint das Hauptproblem die Rahmenbedingungen zu sein. Unterm Strich wären viele lieber in Ruhe am Essen, auf der Couch, auf dem Rennrad oder müssen heim zu Kindern und Haustieren usw. Daraus ergibt sich für viele also keine optimale Ausgangssituation für eine Fortbildung, da man sich in dem Moment lieber nicht mit dem Job beschäftigen würde.
Das Blitzlicht auf der GLK ist ein Sonderfall, da man ja sowieso da sein muss. Aber ein Thema zu finden, das alle oder zumindest viele Kolleg*innen tatsächlich interessiert ist sicher eine Herausforderung. Außerdem kann so etwas auch schnell als Verlängerung der Konferenz wahrgenommen werden, was auch eher nicht so gewünscht ist. Das Blitzlicht scheint in der Fachschaft besser aufgehoben zu sein, da dort die Inhalte in den meisten Fällen besser von allen Kolleg*innen übernommen werden können.
Mikrofortbildungen scheinen hier durch ihre Kürze und die Möglichkeit ein interessantes Thema Schullizenz zu wählen eine gute Option zu sein, wobei der Aufwand für den*die Fortbildner*in im Gegenzug höher wird. Eine Gruppe von Fortbildner*innen (z.B. eine Mediengruppe) könnte das auffangen und auch noch mehr Fachwissen mitbringen. Problematisch ist sicher die Terminierung, denn verständlicherweise ist für die meisten die Mittagspause keine wirkliche Pause mehr, wenn eine Fortbildung stattfindet.
Der Freitags-Support (natürlich auch nur alle zwei Wochen denkbar) ist für den*die MMB natürlich ein gewisser zeitlicher Aufwand und bietet auch wieder nur ein vorgegebenes Thema als Mikrofortbildung. Dafür herrscht hier Freiwilligkeit vor und die Option, eigene Fragen direkt beantwortet zu bekommen. Als Moodle für einige noch neu war, haben das tatsächlich viele Kolleg*innen genutzt: Der Freitags-Support lief zwei Monate und wurde dankbar aufgenommen.
Das Online-Angebot klang und klingt gut, wurde aber praktisch gar nicht genutzt; hier scheint die Verbindlichkeit zu fehlen. Durch den fehlenden festen Termin ist die Chance groß, dass man dieses Angebot immer weiter verschiebt – getreu dem Motto “Komm ich heut net, komm ich morge”. Auch ein GLK-Blitzlicht als Auftakt konnte dem nicht entgegenwirken. Vielleicht wäre ein längerer GLK-TOP, in dem das Kollegium sich direkt in vorbereiteten Kursen umschaut, eine bessere Möglichkeit.
Schlussfolgerung: Welche Eigenschaften sollten Fortbildungen haben?
Es gibt sicher keine Zauberformel für das Gelingen von Fortbildungen an einer einzelnen Schule und auch die Bedürfnisse sind unterschiedlich. Aber nachdem ich verschiedene Formate ausprobiert habe, glaube ich erfolgreiche Fortbildungen sollten folgende Eigenschaften aufweisen:
- passgenau auf das Publikum zugeschnitten
- organisatorisch machbar, also so wenig in der Freizeit wie möglich
- verbindlich, um nicht beliebig zu werden. Was man jederzeit machen kann, macht man schlussendlich meistens nicht.
- MMB-Entlastung bei breitem Angebot
Diese Überlegungen haben an meiner Schule dazu geführt, dass wir nach der Zeugnisausgabe des Schuljahres 19/20 ein Barcamp durchführten.
Da die Möglichkeit einer zweiten Schulschließung damals schon im Raum stand und die Zeugnisse an zwei Tagen verteilt wurden, ermöglichte die Schulleitung einen Zwei-Stunden-Fortbildungsvormittag, um alle Kolleg*innen endgültig in Moodle einzuführen. Und weil viele Kolleg*innen das nicht mehr brauchten, wurden auch Sessions mit anderen (digitalen) Inhalten angeboten.
Vorschläge: Wie sehen konkrete Beispiele aus?
Erster Vorschlag: Barcamps
Kurz erklärt und stark heruntergebrochen ist ein Barcamp eine Kombination von Mikrofortbildungen, bei der jede*r im Kollegium etwas anbieten und/oder besuchen kann. Wichtig: Zwischen den einzelnen Zeitslots sollte man Zeit haben, sich (bei Snacks) austauschen zu können, dieser informelle Austausch ist essentieller Bestandteil des Barcamps!
Wie man das Barcamp genau durchführt ist jedem freigestellt. Man kann bspw. für einzelne Sessions schon im Vorfeld Kolleg*innen ansprechen, da die Rolle als Fortbildner*in (bzw. Teilgeber*in) für die meisten neu ist und man sich deswegen gerne gut vorbereitet. Dieser Rollenwechsel an sich tut schon gut und dadurch können auch Kolleg*innen mit einer Fortbildung erreicht werden, die von jemand anders eben nicht erreicht werden würden.
„Verbindlich, passgenau und entlastend“
Das Barcamp ist terminlich verbindlich, durch die Wahlmöglichkeiten so passgenau wie möglich und es entlastet den*die MMB, der*die vor allem für die Organisation verantwortlich ist (aber natürlich auch Sessions anbieten kann).
Es bietet sich an, mit Schulleitung und Personalrat dieses Fortbildungskonzept zu besprechen und dann den Segen der GLK einzuholen. Bewährt sich das Konzept, kann das Barcamp direkt als Nachmittagsveranstaltung oder bspw. ab 12 Uhr in die Jahresplanung aufgenommen werden. Und natürlich kann man auch andere Schulen dazu einladen: Dieses Format kann den Austausch zwischen Schulen und auch Schulformen voranbringen.
Eine daran angegliederte Möglichkeit ist der Fortbildungstag von fobizz, an dem die Lehrkräfte einer Schule einen Tag lang alle fobizz-Fortbildungen machen können und das auch noch kostenlos. Im Rahmen eines pädagogischen Tages wäre das sicherlich gut machbar. Genauso denkbar ist ein lang geplanter Samstag – niemand ist gezwungen und wer möchte, kann wahnsinnig profitieren.
Darüber hinaus kann ein solcher Tag als Auftakt dienen. Nach dem Tag kann abgefragt werden, welche Kolleg*innen sich für eine Fortbildungs-Flatrate interessieren. Diese sollten sich im Gegenzug verpflichten, das Gelernte zu multiplizieren, speziell in der Fachschaft.
Zweiter Vorschlag: Fachschaftskonferenz
Der zweite wichtige Punkt neben dem zentralen Barcamp ist für meine Begriffe die dezentrale Fachschaftskonferenz. Hier steht die Passgenauigkeit im Vordergrund und je nach Digitalisierungslevel kann man mit einem Digitalblitzlicht (best practice) beginnen – wirklich beginnen, also als TOP 1. Je länger eine Konferenz dauert, desto stärker schwindet die Lust auf Neues.
Daraus kann sich eine digitale Materialsammlung (in LMS / Cloud) entwickeln oder auch kleine Arbeitsgruppen, die konkrete Inhalte erstellen, die dann wiederum mit der gesamten Fachschaft geteilt werden. Jede*r bekommt eine Kopie des Materials oder Moodlekurses und kann diesen dann beliebig verändern.
Der*Die MMB kann die Fachschaften wenn gewünscht unterstützen, sei das durch (fächerübergreifenden oder sogar fachspezifischen) Input oder durch technische Hinweise zu eigenen Ideen bzw. deren Umsetzung.
Dritter Vorschlag: Newsletter
Seit Beginn des Schuljahres schreibe ich etwa wöchentlich (je nach Material) einen Digital-Newsletter über ein Moodle-Forum. Inhalte sind Material und Ideen. Bei der ersten Konferenz des Jahres geht eine Liste durchs Kollegium, in die man eintragen kann, ob man das Forum abonnieren möchte. Die Einschreibung mache ich einmalig, abbestellen kann jede*r natürlich auch selbst. Aktuell sind etwa ein Drittel der Kolleg*innen eingeschrieben, zum Ende des Jahres gibt es eine Evaluation zu Inhalt, Umfang und Wünschen.
Vierter Vorschlag: Messenger-Gruppe
Eine Messenger-Gruppe für den schnellen Support zwischendurch und kurze Inhalts-Inputs wurden zusätzlich zum Newsletter (Organisation ebenfalls per Liste) ins Leben gerufen. Großer Vorteil ist hier, dass viele Probleme nicht von mir selbst gelöst werden müssen, da meist ein*e Kolleg*in das Problem kennt und helfen kann. Das entlastet mich als MMB und fördert den (Ideen-)Austausch im Kollegium.
Umsetzung: Auf geht’s!
Die von mir gesammelten Erfahrungen sind per Definition subjektiv und passen damit auch auf verschiedene Schulen unterschiedlich gut. Allgemein sollten die hier dargestellten Überlegungen aber dabei helfen, eine sinnvolle und passgenaue Fortbildungsplanung zu erarbeiten, die nicht alleine von dem*der MMB geschultert wird. Dabei kann eine eigene Mediengruppe und/oder die Zusammenarbeit mit der Steuergruppe auch sehr gewinnbringend sein.
Also: loslegen, regelmäßig reflektieren und wo nötig optimieren!
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