Sie sehen also viele Chancen für Bildungsprozesse in sozialen Medien wie Tiktok?
Ich sehe auf jeden Fall Chancen in der digitalen Bildung. Auf Youtube gibt es auch schon ganz viele Bildungsvideos. Mehrere Studien zeigen: Über die Hälfte der Schülerschaft nutzt Youtube zum Lernen, um Hausaufgaben zu lösen und sich auf Prüfungen vorzubereiten. Das Problem ist aber, dass die Schüler*innen das informell machen, neben der Schule, und dass diese Prozesse nicht strukturiert ablaufen. Viele Lehrkräfte greifen das Youtube-Lernen nicht in der Schule auf. Mein Ziel wäre es auch, das zu verzahnen: das formelle Lernen, das in der Schule mit Lehrkräften stattfindet, mit der informellen digitalen Bildung aus dem Alltag.
Aber auch die Risiken und Gefahren von sozialen Medien wollen wir nicht außer Acht lassen. Die müssen immer sehr kritisch mitbetrachtet und reflektiert werden.
Welche Gefahren sehen Sie in der Nutzung von Tiktok im Schulkontext?
Das eine ist – und da steht auch die ökonomische Bildung mit in der Kritik – dass man Wirtschaft in die Schule holt. TikTok verkauft seit 2019 auch Werbeplätze und ist eine Plattform für große Marken. Auch sehr populäre Bildungskanäle auf TikTok fangen an, Produktplatzierungen zu machen. Das muss natürlich kritisiert werden und von sowas möchte ich mich distanzieren. Das Thema Werbung sowie Produktplatzierung durch Influencer*innen müssen Lehrkräfte natürlich im Unterricht aufgreifen und Manipulationstechniken, die da stattfinden, behandeln.
Ein weiterer Kritikpunkt, bei dem man vorsichtig sein muss: TikTok befindet sich im kulturellen Kontext der Jugendlichen. Wenn die Schule TikTok aufgreift, dann dringen wir gewissermaßen in die Privatsphäre der Schüler*innen ein. Da kann es natürlich sein, dass manche das gar nicht wollen und sich davor verschließen. Dann kommt es zur Demotivation. Und darum finde ich wichtig, dass man nicht unbedingt TikTok in den Vordergrund stellt, sondern sich auf die Produktion von Videos für einen bestimmten Bildungsinhalt fokussiert.
Außerdem haben wir bei Kindern und Jugendlichen einen erhöhten Medienkonsum. Wenn man TikTok aufgreift, kann das diesen noch steigern. TikTok darf man erst ab dem vierzehnten Lebensjahr nutzen. Man sollte das auf keinen Fall mit jüngeren Schüler*innen machen. Und man sollte auch Jugendliche, die kein Konto haben, nicht ermutigen, ein Konto zu eröffnen. Eine gute Lösung ist, wenn die Lehrkraft ein Fachkonto eröffnet und sagt: Wir machen das hier für den Klassenverband als Projekt. TikTok an sich sollte man nicht zu sehr in den Vordergrund stellen, sondern es geht um die Produktion von unterhaltsamen Videos zur ökonomischen Bildung.
Auch das Thema Datenschutz ist sehr kritisch zu sehen. Es können auch Kontakte zu Fremden entstehen. Es ist wichtig, all diese Risiken im Unterricht zu behandeln und mit den Schüler*innen zu reflektieren, was eigentlich alles auf Social Media passieren kann.